Wie Krähen im Nebel
Idioten! Aber der Flavio, den er kennen gelernt hatte, besaß Humor … vielleicht bestand ja noch Hoffnung.
«Sie sind nett!», sagte Donatella. «Ich danke Ihnen!»
«Ich weiß zwar nicht wofür … aber jetzt können Sie sich gleich revanchieren. Ich brauche die Papiere der beiden Frauen. Haben Sie eine Ahnung, wo Rinaldo sie aufbewahrt haben könnte?»
«Ich bin ziemlich sicher, dass sie noch beim deutschen Konsulat liegen», erwiderte sie ohne zu zögern. «Er hat sie vor knapp einer Woche hingebracht. Die Bearbeitung dauert mindestens eine Woche!»
«Er hat sie hingebracht?» Guerrini sah die junge Frau verblüfft an.
«Ja, das hat er immer so gemacht!»
«Die Frauen sind nicht selbst zum Konsulat gegangen?»
«Soviel ich weiß, nicht!»
«Interessant», murmelte Guerrini. «Dann werden wir sie holen müssen!»
«Weshalb?»
«Weil ohne diese Papiere und die Visa für Deutschland mein Plan nicht funktioniert.»
In den folgenden Tagen druckten die meisten norditalienischen Tageszeitungen das Bild des jungen Mannes, der sein Gedächtnis verloren hatte. Auch im staatlichen Fernsehen wurde sein Foto kurz gezeigt. Das Foto eines Mannes mit kräftigem Bart und wirren halblangen Haaren, die an den Enden ein bisschen blond glänzten. Seine Augen waren geschlossen,sodass er wie tot wirkte. Niemand meldete sich bei den Redaktionen, niemand schien ihn zu kennen.
Als Laura bei ihrer Rückkehr zur Arbeit das Foto zu sehen bekam, musste sie lachen.
«Ihr hättet auch gleich ein Bild vom Yeti an die Zeitungen geben können!», sagte sie. «Oder eins von Saddam Hussein, als er aus seinem Erdloch gezogen wurde.»
«Ich hab das Foto nicht gemacht!», erwiderte Kommissar Baumann. «Das war der Fotograf vom Erkennungsdienst! Und er hat behauptet, dass der junge Mann ganz genauso aussieht wie auf dem Foto!»
«Ja! Ich glaube es! Vermutlich beabsichtigt der junge Mann genau das! Er will nicht erkannt werden!»
«Und warum nicht?»
«Wolltest du noch nie jemand anders sein, Peter?»
Er runzelte die Stirn, schüttelte dann den Kopf.
«Eigentlich nicht. Nur in letzter Zeit wäre ich gern Italiener – wenigstens zeitweilig.»
«Ich glaube, ich bekomme wieder Fieber!», erwiderte Laura.
Die Villa, von der Peter Baumann gesprochen hatte, war wirklich sehr edel. Sie lag nicht weit vom Europaplatz im Klinikviertel, eingefasst von einer geschwungenen Mauer, umgeben von einem Garten mit alten Bäumen.
«Sie ist zu Hause!», sagte Baumann. «Ich habe sie vor zwei Stunden reingehen und nicht wieder rauskommen sehen!»
«Dann werde ich jetzt bei ihr klingeln, und du wartest im Treppenhaus und passt auf mich auf!»
Baumann nickte und grinste.
«Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass wir beide das perfekte Klischee sind? Ich hab am Wochenende eine Krimiseriemit attraktiver reifer Hauptkommissarin und jungem Assistenten gesehen. Könnten glatt wir beide gewesen sein!»
«Nein!», erwiderte Laura. «Wenn du die Serie meinst, die ich meine, dann hat die Hauptkommissarin einen Lover und der junge Assistent ist ein freundschaftlich verbundener Kollege!»
«Du hast immer ’ne Antwort parat, was?»
«Bin ja auch Hauptkommissarin!», erwiderte sie.
«Pass auf diese Petrovic auf! Meiner Ansicht nach kann die durchaus gefährlich werden. Soll ich nicht lieber mitkommen?»
«Nein. Sie mag keine Machos!»
«Hältst du mich für einen Macho?»
«Nein, aber die Petrovic hält dich dafür!»
«Noch mehr auf Lager?»
«Nein! Aber ich finde unsere Unterhaltung sehr amüsant! Wir finden allmählich zu unserer alten Form zurück.»
«Klingelst du jetzt oder hast du’s dir anders überlegt?» Laura lachte den jungen Kommissar an.
«Siehst du! Genau das meine ich mit unserer alten Form! Ich klingle jetzt!»
Er nickte und schnitt eine Grimasse, dann lauschten alle beide.
«Jaa?!» Die Stimme der blassen Frau drang sehr laut und klar aus der Sprechanlage.
«Hier ist Laura!», sagte Laura.
«Wer?»
«Laura Gottberg. Hauptkommissarin. Die Frau, deren Handynummer Sie so clever herausbekommen haben. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen!» Laura sah auf ihre Armbanduhr. Es blieb genau zwölf Sekunden lang still, dann hatte Natali sich gefasst.
«Kommen Sie rauf! Aber lassen Sie den kleinen Wachhund draußen!»
Peter Baumann blieb im marmornen Foyer zurück, während Laura die breite Treppe hinaufstieg, obwohl es einen Fahrstuhl gab. Dunkelrote weiche Läufer machten ihre Schritte unhörbar, an den hohen Fenstern
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