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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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er begriff, dass es sich um sein Handy handelte und dass er auf dem gelben Sofa im gelben Zimmer der Contessa lag. Endlich fand er das kleine Telefon zwischen seinen Kleidern, drückte beinahe zufällig auf den richtigen Knopf, denn er wusste nicht, wo der Lichtschalter war.
    «Pronto!»
, flüsterte er heiser. Seine Kehle war trocken.
    «Angelo?»
    «Wer ist da?»
    «Dein Vater! Du solltest inzwischen meine Stimme kennen!»
    «Entschuldige, ich habe geschlafen! Ist was passiert? Wie spät ist es überhaupt?»
    «Drei Uhr!»
    «Und warum rufst du mich um drei Uhr nachts an?»
    «Weil mir etwas sehr Wichtiges eingefallen ist! So wichtig, dass die Uhrzeit wirklich keine Rolle spielt!»
    «Aha!»
    «Dir wird die Ironie gleich vergehen! Ich bin zwar alt, aber kein Trottel! Pass auf! Ich habe dir doch vom Enkel des altenConte Barelli erzählt. Als wir die Fasane gegessen haben, erinnerst du dich?»
    «Jaja», murmelte Guerrini. «Ist das nicht der Enkel, der beim Segeln ertrunken ist?»
    «Genau der! Aber ich glaube, er ist gar nicht ertrunken. Vor ein paar Tagen habe ich ein Foto in der Zeitung gesehen – von einem Typ mit Bart und langen Haaren. Der wurde irgendwo gefunden und weiß nicht, wer er ist. Stand jedenfalls unter dem Foto. Sieht aus wie ein Landstreicher, dachte ich. Dann hab ich die Zeitung weggelegt und die Sache vergessen. Aber irgendwas hat mich nicht in Ruhe gelassen. Und vorhin bin ich aufgewacht, aufgestanden, hab die Zeitung aus dem Stapel herausgesucht und das Bild nochmal angesehen. Und weißt du, was ich denke, Angelo?!»
    «Was, Vater?»
    «Du weißt es doch schon! Ich kenne dich! Mach dich nicht über mich lustig!»
    «Ich mache mich nicht über dich lustig!»
    «Na ja, lassen wir das! Jedenfalls denke ich, dass dieser Landstreicher der Enkel von Conte Barelli ist. Sein Name ist Vittorio Barelli   – Conte Vittorio natürlich! Aber wie der von einem umgekippten Boot im Mittelmeer nach München kommt, ist mir wirklich ein Rätsel!»
    «Ich habe eine gewisse Vorstellung davon, wie er das gemacht hat   …», erwiderte Guerrini leise.
    «Was?»
    «Ach, nichts. Ich danke dir für deinen Anruf. Er war wirklich wichtig, Vater.»
    «Sagte ich doch! Was willst du an Weihnachten essen? Ich habe meine Schwester und deinen Cousin Michele mit seiner Frau und seinen Kindern eingeladen, damit es nicht so eine traurige Angelegenheit wird. Weihnachten ohne Kinder ist deprimierend!»
    Weihnachten, dachte Guerrini verwirrt. Nächste Woche ist ja Weihnachten. Michele und seine vier Kinder! Vater hat wirklich Nerven!
    «Willst du wirklich für alle kochen?»
    «Meine Schwester und Micheles Frau werden helfen   … und du hoffentlich auch! Also, was essen wir?»
    «Vater, es ist drei Uhr morgens! Ich weiß nicht, was ich in zehn Tagen essen will. Überrasch mich einfach! Und jetzt schlaf weiter!»
    «Du bist unflexibel, Angelo!
Buona notte!»
    Guerrini ließ sich auf das gelbe Sofa zurückfallen und schaute zu den hohen Fenstern hinüber. Sie waren mit transparenten weißen Vorhängen bedeckt, deren weiche Falten herabflossen wie Wellen, durch die gelbes Licht schimmerte.
    Einmal, dachte Guerrini. Einmal möchte ich Weihnachten ohne meinen Vater, meine Tante oder irgendein anderes Mitglied meiner Familie feiern. Am besten nicht feiern, sondern nur vorübergehen lassen – ganz still. Am Strand, auf einem Hügel. Allein. Höchstens mit Laura.
    Er schloss die Augen. Die Sache mit der möglichen Identifizierung des Unbekannten in München hatte Zeit. Er vermutete, dass auch Donatella den jungen Mann kannte – vielleicht hatte sie das Bild in der Zeitung nicht gesehen   …

 
    Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, umfasste Laura mit ihren Händen die Armstützen, denn die Turbulenzen über Florenz waren heftig. Seltsam, dachte sie. Bis September hatte ich noch nie einen Fall, der mich zur Ermittlung nach Italien führte. Und jetzt ist es schon das zweite Mal innerhalb von drei Monaten, dass ich nach Florenz fliege. Obwohl sie inzwischen wirklich an der Aufklärung dieses Falls interessiert war, der ihr anfangs so abstrakt und entfremdet vorgekommen war, wünschte sie sich, einfach so in Florenz zu landen. Nicht als Hauptkommissarin, sondern nur als sie selbst, und sie wünschte sich, dass Angelo an einer Säule in der Ankunftshalle lehnen würde, wie im September, genauso verlegen und verwirrt, und dass alles noch einmal von vorn beginnen würde. Aber sie wusste, dass er sie als Commissario erwarten würde –

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