Wie Krähen im Nebel
Laura so an ihm liebte. «Wir sind eine internationale Sonderkommission, die in diesem Fall ermittelt, und müssen anonym bleiben. Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus, Signor Tiefenthaler. Wenn Sie wollen, können Sie auch Deutsch sprechen. Zwei von uns sind deutsche Kriminalbeamte.»
Tiefenthaler zuckte die Achseln.
«Dieser Bahnbeamte, der Sie beschuldigt hat – erinnern Sie sich an den?»
«Jo, na … i woaß ned genau.»
«Er ist ein Schaffner, glaube ich …»
Tiefenthaler nickte.
«Dieser Schaffner hat ausgesagt, dass Sie mit der Frau, die später tot aufgefunden wurde, einen Streit hatten.»
Der Mann auf der anderen Seite der Glasscheibe stützte die Ellbogen auf seine Oberschenkel und beugte sich vornüber, starrte auf den Boden zwischen seinen Füßen, antwortete nicht.
Laura war, als könnte sie Guerrinis Gedanken folgen. Sie legte eine Hand auf seinen Arm und sagte:
«Könnte es sein, dass diese Frau Ihnen ein Angebot gemacht hat? Ich mach es dir, wie du es noch nie erlebt hast – ganz billig …?»
Tiefenthaler fuhr auf.
«Hundert Euro hat die verlangt für fünf Minuten. Die war wia a Oktopus, so oana mit Saugnäpf! Auszutzlt hot’s mi und dann d’Hand aufg’halten. Aber i hab ihr die hundertEuro ned gebn! Da hat’s rumplärrn können wie’s wolln hat.»
«Wie viel haben Sie ihr denn gegeben?», fragte Laura.
«Zwanzge! Mehr war’s ned wert! Die
puttana
, die g’scherte!»
«Wie viel hat er ihr gegeben?», flüsterte Guerrini und beugte sich zu Laura. «Den Rest habe ich verstanden.»
«Venti Euro», flüsterte Laura zurück und wandte sich wieder an Tiefenthaler.
«Und dann haben Sie mit ihr gestritten, nicht wahr? So laut, dass andere Fahrgäste aufmerksam wurden und der Schaffner kam.»
Der Lastwagenfahrer ballte seine Hände zu Fäusten.
«Sie hat plärrt, ned ich. I hob ihr die zwanzge hing’schmissen und bin gangen. Mit solche Weiber kann ma ned reden.»
«Sie haben sich also nicht mit ihr geprügelt oder ihr ein paar runtergehauen oder so was?»
Tiefenthaler schüttelte den Kopf. «Na! I schlog koane Weiber! Des sans ned wert!»
«Aha!», murmelte Baumann, räusperte sich dann mehrmals und sagte schließlich: «Haben Sie die Dame nach Ihrem Streit noch einmal gesehen?»
«Na! I bin ganz nach vorn in Zug gangen und hab mir an Platz g’sucht. Sie war ganz hinten! I sog Eana! Die hat bestimmt noch mehr Kerle g’funden, von dene sie hundert Euro verlangt hat!»
Wieder übersetzte Laura leise, und Baumann murmelte etwas von einem eingespielten Team.
«Wann hat denn die intime Begegnung zwischen Ihnen und der Dame stattgefunden?», fragte Guerrini auf Italienisch.
«Wos?» Tiefenthaler sah verwirrt auf.
«No, er will wissen, wann und wo ihr gevögelt habt!»,knurrte Baumann. «Entschuldigung!», fügte er nach einem Seitenblick auf Laura hinzu.
«Ah so – no ja, war so halbe Strecke Florenz – Bologna.»
«Grazie!»
, grinste Guerrini. «Ich hab’s schon verstanden.»
«Und wo sind Sie eingestiegen?», fragte Baumann weiter.
«In Florenz!»
«Aber Sie sind doch Lastwagenfahrer. Weshalb fahren Sie dann mit der Bahn?»
«Weil ich an gebrauchten Laster für a Firma in Florenz g’liefert hab. Ich hab ihn übergeben und wollt dann mit dem Zug zurück. Hätt besser per Anhalter fahren solln! I hob die Frau ned umbracht!» Zum ersten Mal schaute er die drei Ermittler offen an. Sein Gesicht war ein bisschen verzerrt, ein Anflug von Angst lag in seinen Augen. «Bis heut weiß i ned amol, was genau mit ihr g’schehn ist? Mit dene Italiener red i ned! Die lesen mir was vor und da steht drin, dass ich die Frau g’würgt und aus dem Zug g’schmissen hab! Weil’s irgendwos Genetisches von mir an ihr g’funden haben. Aber des stimmt ned! I hob sie ned umbracht! Wegen hundert Euro bring ich doch koane um! Aber des sog’n S’ amol am Italiener, wenn S’ a Südtiroler san! Die freu’n sich immer no, wenn’s einen von uns erwisch’n!»
Laura übersetzte, und Guerrini nickte vor sich hin.
«Ich fürchte, der Signor Tiefenthaler hat gar nicht so Unrecht!», sagte er leise. «Mal sehen, was wir für ihn tun können!» Laut fügte er hinzu: «Wir danken Ihnen für Ihre Aussage, Signor Tiefenthaler. Ich verspreche Ihnen, dass Sie hier herauskommen, wenn Sie unschuldig sind. Wir ermitteln im Augenblick sehr intensiv. Nur noch eine Frage: Kennen Sie den Namen des Schaffners, der gegen Sie ausgesagt hat?»
Tiefenthaler schüttelte den Kopf. «Ich hab das
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