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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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das in Deutschland auch so?»
    Laura lächelte und stieß Baumann mit dem Ellbogen an. «Machen wir das auch so?»
    «Na klar!», seufzte Baumann. «In Italien müssen seltsame Gerüchte über die deutsche Geradlinigkeit kursieren.»
    «Okay!», sagte Laura und stand auf. «Dann klären wir jetzt die Dinge im Palazzo Pitti und fahren anschließend alle zusammen nach Mantua.»
    «In der Po-Ebene herrscht der absolute Nebel!», erwiderte Guerrini düster. «Heute Morgen gab es eine Massenkarambolage mit 75   Fahrzeugen. Hältst du es wirklich für eine gute Idee, nach Mantua zu fahren?»
    «Wir können ja den Zug nehmen!», erwiderte Laura. «Ich verkleide mich als Transfer-Lady, dann erwischen wir vielleicht den richtigen Mörder!»

 
    Raimund Tiefenthaler saß nur deshalb im Gefängnis von Mantua ein, weil er zufällig auf der Strecke zwischen Bologna und Verona verhaftet worden war. Niemand hatte bisher seine Überstellung nach Florenz oder Verona oder an einen anderen Ort verfügt. Und so wartete er seit drei Monaten in Einzelhaft, war erst zweimal einem Richter zur Haftprüfung vorgeführt worden. Einmal hatte ein Carabiniere-Offizier ihn verhört, ihm Fotos von einer Toten gezeigt und ihn beschuldigt, dass er mit ihr gesehen worden sei. Von einem absolut zuverlässigen Bahnbeamten. Genau von dem, der auch die Polizei in den Zug gerufen hatte.
    Tiefenthaler hatte alles abgestritten und war in seine Zelle zurückgeführt worden. Sein Verteidiger – ein junger Anwalt aus Mantua – war ein bisschen ratlos, denn der Untersuchungsrichter schien überzeugt von der Schuld seines Mandanten, und Tiefenthaler selbst erwies sich nicht als besonders hilfreich.
    Das Gefängnis von Mantua lag außerhalb des historischen Stadtkerns am Rand eines Industriegebietes. Als Laura mit Guerrini und Baumann aus dem Taxi stieg, das sie am späten Nachmittag vom Bahnhof hergebracht hatte, wuchs in ihr ein Gefühl, als entgleite ihr das innere Bild von Italien, das sie bisher in sich trug. Der Nebel roch scharf, ließ sie alle drei beinahe gleichzeitig husten. Unzählige Schornsteine krönten den Lichterpark petrochemischer Anlagen, und das alte Mantua mit seinen Stadtmauern und Türmen lag hinter ihnen wie eine Fata Morgana, die sich bereits auflöste.
    Dank der Intervention eines der vielen alten Kollegen von Guerrini war es überhaupt kein Problem, den Untersuchungshäftling Tiefenthaler zu sehen. Der Kollege besaß einen ziemlich hohen Rang – weshalb auch Laura und Baumann an dem Gespräch teilnehmen durften.
    Die drei warteten in einem trostlosen Raum mit Glasscheibe und einem einzelnen Stuhl dahinter. Als Raimund Tiefenthaler hereingeführt wurde – ein mittelgroßer dunkelhaariger Mann mit Halbglatze, um die vierzig, nicht vorbestraft, unverheiratet, Lastwagenfahrer – da hatte Laura wieder dieses seltsam fremde Gefühl wie beim Anblick von Mantua im Nebel. Genau diese knappen Angaben waren durch ihren Kopf gegangen, als sie ihn sah: Mitte vierzig, nicht vorbestraft, unverheiratet, vermutlich niemals besonders auffällig gewesen. Eigentlich ein klassischer Sexualstraftäter. Und Laura dachte, dass sie so etwas wie einen Beurteilungscomputer im Kopf haben musste.
    Sie schaute zu Guerrini, zu Baumann. Beide schienen sich auf diesen Mann zu konzentrieren, der jetzt auf dem einsamen Stuhl hinter der Glasscheibe saß und ab und zu einen unsicheren Blick auf die drei unbekannten Besucher warf. Seine Stirn wölbte sich stark, er hatte kräftige Augenbrauen und eher kleine Augen. Die Lippen waren schmal, aber vielleicht lag es nur daran, dass er sie zusammenpresste.
    Laura hatte in diesem Augenblick keine Ahnung, wie sie mit diesem Mann ins Gespräch kommen sollte. Drei Monate lang hatte er nichts gesagt – warum sollte er ausgerechnet ihnen antworten?
    Das Schweigen füllte alle Ecken des Raums, machte das Atmen schwer. Selbst Tiefenthaler begann auf seinem Stuhl herumzurutschen. Der Polizist, der hinter Tiefenthaler an der Wand stand wie eine breitbeinige dunkle Skulptur, war der Einzige, der sich nicht bewegte. Baumann räusperte sichmehrmals, sagte aber nichts, Laura konzentrierte sich auf ihren Atem, wie sie das stets in schwierigen Situationen tat. Sie wussten einfach zu wenig über diesen Mann. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Als sie plötzlich Guerrinis Stimme hörte, hob sie erstaunt den Kopf.
    «Entschuldigen Sie, wenn wir uns nicht vorstellen!», sagte er mit diesem weichen, freundlichen Ton, den

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