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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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meine ich nicht, Laura!» Seine Stimme klang streng.
    «Es ist alles in Ordnung. Das andere auch!»
    «Wirklich?»
    «Wirklich!»
    «Schwörst du?»
    «Ich schwöre!»
    «Na gut, dann lass mal sehen, was du zum Frühstück mitgebracht hast.» Er steckte seine Nase in die Tüte mit frischen Semmeln und Hörnchen und zog genüßlich den Duft ein. «Riecht gut! Hatte schon lange kein frisches Brot mehr zum Frühstück!»
    Gemeinsam suchten sie Marmelade, Honig, Käse, Butter zusammen und deckten den Tisch. Als sie endlich saßen und Laura den Kaffee einschenkte, fragte der alte Gottberg plötzlich: «Warum bist du eigentlich nicht nach Hause zu deinen Kindern gefahren? Warum kommst du zu deinem alten Vater?»
    «Sofia übernachtet bei einer Freundin und Luca vermutlich bei einem Freund. Ich hatte keine Lust, allein zu sein, und außerdem Sehnsucht nach dir. Warum hast du eigentlich nicht ein einziges Mal angerufen?»
    Der alte Gottberg führte gerade die Kaffeetasse zum Mund, stellte sie aber blitzschnell ab, weil er lachen musste. «Ich denke, es geht dir auf die Nerven, wenn ich dauernd anrufe! Jedenfalls hast du mir das ungefähr schon zweitausend Mal gesagt.»
    «Und deshalb rufst du überhaupt nicht mehr an?»
    «Ich hatte keine Zeit.»
    «Keine Zeit?»
    «Nein, ich hatte keine Zeit! Das kannst du wohl nicht glauben, was? Weil ich im Allgemeinen nur nutzlos herumsitze und dich mit meinen philosophischen Ergüssen nerve   …»
    «Vater, bitte   …»
    «Nein, nicht ärgerlich werden. Es ist doch so und ich kann sehr gut verstehen, dass ich dich nerve. Aber ich kann dir versprechen, dass es dir mit deinen Kindern mal genauso gehen wird! Darüber wollte ich aber gar nicht reden   … was   … ach so, ja   … ich hatte wirklich keine Zeit, und wenn ich Zeit hatte, dann war ich zu müde!»
    «Gut!» Laura nickte geduldig. «Was also hast du gemacht, das dich so in Atem hielt?»
    «Na, genau das, was du mir aufgetragen hast! Dieser junge Mann mit der Totalamnesie! Das ist ja wirklich eine hochinteressante Geschichte. Wir haben uns ganz gut angefreundet inzwischen – aber es ist seltsam. Ich mag ihn und ich mag ihn nicht. Und das Tollste: er ist ungeheuer gebildet, kann ganze Sonette auswendig. Sein Deutsch ist gut, sein Englisch passabel, aber er ist eindeutig Italiener. Ich habe einen Freund gebeten, mich heute zu Pier Paolo zu begleiten – er ist Sprachwissenschaftler und kann vielleicht das Italienisch so eingrenzen, dass wir ungefähr wissen, wo der junge Mann herstammt!»
    «Hu!», machte Laura. «Mal langsam! Pier Paolo? Woher kommt dieser Name?»
    «Ah, ich habe ihn so genannt, weil er mich an einen Film von Pasolini erinnert. ‹Teorema›! Wir haben ihn zusammen gesehen, Laura. Vor unzähligen Jahren! Da ging es um diesen Gottmenschen, der alle verrückt macht und alle liebt   … erinnerst du dich? Das war auch einer, der einfach so auftauchte, als wäre er vom Himmel gefallen. Deshalb habe ich ihn Pier Paolo getauft. Ich finde es schwierig, mit einem Menschen umzugehen, wenn er keinen Namen hat.»
    «Gut, und was meint Pier Paolo dazu?»
    Lauras Vater schnitt eine Semmel entzwei und begann sie mit Butter zu bestreichen. «Er scheint nichts dagegen zu haben. Irgendwie amüsiert es ihn eher. Er ist eine interessante Persönlichkeit – ganz sicher außergewöhnlich, auch ohne Amnesie. Wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich mich gern noch eine Weile mit ihm befassen. Vor irgendetwas scheint er Angst zu haben.»
    «Festgebissen, was?», lächelte Laura.
    «Jaja!» Er biss kräftig in das Brötchen. «Erinnert mich irgendwie an früher!», murmelte er mit vollem Mund.
    «Mich auch!», sagte Laura und nahm sich ebenfalls eine Semmel. «Dann kann ich dir also diesen Teil meiner Ermittlungen überlassen. Ich finde das sehr logisch, weil in diesem Fall eigentlich so ziemlich alles neben der Spur läuft!»
    «Das war bei mir auch so! Die besten Ergebnisse als Anwalt hatte ich immer, wenn ich im Graubereich herumstocherte. Da erfährt man einfach viel mehr! Übrigens ist dieser Fall auch juristisch sehr interessant!» Lauras Vater hob dozierend den Zeigefinger seiner rechten Hand. «Was wird rechtlich aus einem Menschen, der sein Gedächtnis verloren hat, der keinen Namen, keine Identität, keine Staatsbürgerschaft besitzt? Es wird sicher spannend zu beobachten, wie unsere Bürokraten mit so etwas umgehen werden. Im Krankenhaus werden sie den jungen Mann nicht ewig behalten. Er ist schon wieder ziemlich

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