Wie man die richtige Arbeit für sich findet
Berufswechsels sind.
Eines der größten Hindernisse für Veränderungen sind die Zwänge, die unser soziales Umfeld und unsere Kollegen auf uns ausüben. Wenn Sie Anwalt sind und Ihre Zeit vorwiegend mit anderen Anwälten oder Akademikern verbringen, wird das Ihre Ideale und Ihre Ziele stark beeinflussen. Nach einem höheren Einkommen, einem schicken Haus und luxuriösen Urlauben zu streben ist für Sie dann vielleicht ein Muss, und Sie finden es ganz normal, sechzig Stunden pro Woche dafür zu arbeiten. Unser soziales Milieu bestimmt in starkem Maße das, was der deutsche Soziologe Karl Mannheim als Weltanschauung bezeichnete – das Fundament unserer intellektuellen Ausrichtung und unserer Überzeugungen. Problematisch dabei ist, dass wir in der Regel nur selten mit Menschen in Berührung kommen, die die Welt ganz anders sehen als wir. Die meisten Menschen, schreibt Tolstoi, »halten sich instinktiv an den Kreis der Menschen, die ihre Ansichten über das Leben teilen und darin denselben Platz einnehmen«. Wann haben Sie das letzte Mal einen Nachmittag mit einem Bienenzüchter oder mit einem schamanischen Heiler verbracht?
Die Prioritäten, die wir setzen, die Werte, die wir vertreten, werden also permanent verstärkt. Vielleicht träumen Sie insgeheim ja davon, den Anwaltsberuf an den Nagel zu hängen und Lehrer an einer Montessori-Schule zu werden, halten es nach reiflicher Überlegung aber doch für eine absonderliche, unrealistische Idee – genau wie die Mehrzahl Ihrer Freunde. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass unsere Weltanschauung eine psychologische Zwangsjacke ist, die uns daran hindert, neue Wege zu gehen. Als ich meinen Abschluss an der Universität machte, sah ich für meine berufliche Zukunft nur drei Möglichkeiten: das Investmentbanking, den Eintritt in den Öffentlichen Dienst und den Beruf des Wirtschaftsjournalisten. Warum war meine Phantasie so begrenzt? Weil das die üblichen Berufe waren, die fast alle meine Kommilitonen ebenfalls in Betracht zogen. Und ich ging wie fast jeder mit der Masse. (Falls es Sie interessiert: Aus Vorstellungsgesprächen bei Banken flog ich regelmäßig raus, weil ich immer wieder von meiner Bonsai-Sammlung anfing, statt über den Devisenhandel zu sprechen; bei den Prüfungen für den Öffentlichen Dienst fiel ich durch, und so wurde ich schließlich Journalist – blieb es aber nicht lange.)
Das enge Korsett der eigenen Weltanschauung sprengt man am besten, wenn man die Peer-Group wechselt und sich mit Menschen unterhält, deren berufliche Erfahrungen und deren Alltagsleben sich deutlich vom eigenen unterscheiden. Wenn Sie Ihren Kanzleijob wirklich an den Nagel hängen wollen, wäre es sicher klug, wenn Sie weniger Zeit mit Ihren Anwaltsfreunden verbrächten, so angenehm ihre Gesellschaft auch sein mag. Man kann eine Menge aus Gesprächen mit Menschen lernen, die bereits einen Berufswechsel hinter sich haben und in die Richtung gegangen sind, die Sie ebenfalls anstreben. Wenn es Sie wirklich reizt, an einer Montessori-Schule zu unterrichten, finden Sie ja vielleicht einen Montessori-Lehrer, der in seinem früheren Beruf Anwalt oder Arzt war, und laden ihn zum Mittagessen ein? Wenn Sie als Akademiker ausgebrannt sind und mit dem Gedanken spielen, Gartenarchitekt zu werden, sollten Sie alles dafür tun, einen Wissenschaftskollegen aufzustöbern, der denselben Wechsel oder irgendeine andere radikale Veränderung vollzogen hat.
Die mündliche Recherche bietet sich als Strategie besonders für Berufe an, die man im Rahmen von Nebentätigkeiten kaum oder gar nicht testen kann. Stellen Sie sich vor, Sie sind Yogalehrer und möchten Literaturagent werden. Anders als im umgekehrten Fall ist es schwer, sich in diesem Beruf erst einmal auszuprobieren: Sie können in Ihrer Freizeit ja keine Miniagentur betreiben und versuchen, Autoren zu betreuen, um zu schauen, ob Ihnen das zusagt. Wesentlich realistischer wäre es, ein Treffen mit einem Agenten zu vereinbaren, mit dem Sie sich über seinen Arbeitsalltag austauschen – und herausfinden, ob Mittagspausen in der Verlagsbranche wirklich so lang sind, wie alle Welt meint.
In solchen Gesprächen lernen wir die Realitäten des anvisierten Berufs besser kennen – mit all seinem Auf und Ab. Von anderen zu hören, was sie erlebt haben, und ihnen die Fragen zu stellen, die uns wirklich interessieren und umtreiben, ist viel lohnender als die Lektüre von Berufsratgebern und vermittelt uns ein anschauliches und nuanciertes Bild
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