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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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oder nicht, Ihre Leser tun es. Aber es ist ein Riesenunterschied zwischen neuen Figuren eines erkennbaren Typs und stereotypen Figuren.

        Einer der ersten Romane überhaupt war Defoes Moll Flanders. Moll ist eine herrliche Hauptfigur - leidenschaftlich, mutig, voller Lebensfreude. Sie ist Anarchistin, Diebin, Hure, Bigamistin. Sie begeht Inzest, aber sie macht sich keine Illusionen über sich und hat eine ansteckende gute Laune. Was für ein Typ ist sie? Wir wollen sie eine »sympathische Asoziale« nennen. Zweihundert Jahre später taucht ein anderer sympathischer Asozialer auf. Er ist Anarchist, leidenschaftlich, mutig, voller Lebensfreude. Er ist ein Dieb und ein Lügner, und er hat eine ansteckende gute Laune und kann sich selbst auf den Arm nehmen. Sein Name ist Alexis Zorbas. Moll und Zorbas sind beide derselbe Typ, aber keine Stereotypen. Der Grund? Beide sind komplex und vielschichtig und daher voller Unterschiede.

        Pierre in Tolstois Krieg und Frieden ist ein Unschuldiger auf der Suche nach Sinn, während er durch den Dreck der Napoleonischen Kriege stapft. Er ist unentschlossen und leicht zu beeinflussen; er versucht die Welt durch abenteuerliche philosophische Spekulationen zu verstehen. Dasselbe trifft auf Converse in Robert Stones Dog Soldiers zu, das hundert Jahre später geschrieben wurde - nur daß sich Converse durch den Dreck der amerikanischen Drogenkultur der siebziger Jahre kämpft. Die Figuren sind ähnlich, aber keine Fotokopien. Sie sind sich ähnlich, weil Charaktereigenschaften sowohl im bomo sapiens als auch im bomo fictus häufig geballt auftreten.

    Wenn Sie auf einen Intellektuellen mit sanfter Stimme stoßen, einen Fachmann in beispielsweise mittelalterlichen Osterfestspielen, dann wird er sich wahrscheinlich nicht als geldgieriger Geschäftemacher oder als Hai im Pool-Billard entpuppen. Wir erwarten von süßen jungen Mädchen nicht, daß sie sich für faschistische Politik interessieren. Nette alte Großmütter, die gern stricken und Plätzchen backen, fabrizieren wahrscheinlich keine Bomben im Keller. Erwartungen, die Leser an Romanfiguren stellen, beruhen auf solchen Konventionen und werden durch Hinweise gespeist, die Autoren zu ihren Figuren geben. Wenn Sie einen Revolverhelden mit schwarzem Hut in einem Western auf der Leinwand auftauchen sehen, sagen Sie sich: »Aha, der Böse.« Wenn Sie einen hübschen, jungenhaften, glattrasierten Burschen sehen, der statt eines Revolvers eine Blume in seinem Holster trägt und ein Lasso an seiner Seite wirbeln läßt, sagen Sie sich: »Aha, der Gute.«

        Wenn alle Erwartungen des Lesers hinsichtlich einer Figur erfüllt werden, wenn es keine Widersprüche oder Überraschungen bei der Figur gibt, dann haben Sie eine stereotype Figur. Wenn die alte Oma ein pensionierter Polizei-Lieutenant ist und der gelehrte Intellektuelle ein heimlicher Box-Fan, dann haben Sie damit begonnen, das Stereotyp aufzubrechen.

        Nehmen wir zum Beispiel das Stereotyp des hartgesottenen Privatdetektivs. Angenommen, Sie wollen eine solche Figur erschaffen und nennen ihn Brock Mitchell. Er erfüllt alle Voraussetzungen, nach denen das Stereotyp verlangt: er ist einfallsreich, auf eine rauhe Art hübsch, hart wie Stahl, er kaut Streichhölzer, aber er ist im Innern so weich wie ein Pudding. Er mag Katzen. Er verdient nicht viel, lebt allein, hat einen sarkastischen Humor und eine Schwäche für Rye-Whiskey. Er sammelt Blondinen wie ein blauer Anzug aus Schurwolle Flusen sammelt.

        Damit haben Sie das perfekte Abziehbild geschaffen. Philip Marlowe, Jim Rockford, Sam Spade, der Continental Op - diese Figur hat es in tausend Inkarnationen gegeben. Was ist da zu tun?

    Robert B. Parker brach das Detektiv-Stereotyp mit Spenser, der es liebt, wie ein Gourmet zu kochen und eine stürmische Romanze mit einer Psychologin namens Susan Silverman hat. Donald E. Westlake brach unter dem Pseudonym Richard Stark mit dem Stereotyp, indem er auf den weichen Kern seiner Figur, Parker, verzichtete. Dasselbe hat Mickey Spillane mit Mike Hammer gemacht. Sie können Brock zu einem leidenschaftlichen Spieler machen oder zu einem ehemaligen Priester, der den Verlust seines Glaubens beklagt.

        Aber Vorsicht! Sie können mit dem Stereotyp nur brechen, wenn der Bruch gut in die Figur integriert ist, als logisches Ergebnis ihrer physiologischen, soziologischen und psychologischen Statur, und nicht einfach ein Einfall des Autors, der überraschen

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