Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
des Romans.
Sie möchten beispielsweise in Ihrem Roman belegen: »Sex vor der Ehe führt ins Unglück«. Sie erfinden zwei Figuren, Sam und Mary, die es vor der Ehe miteinander treiben und denen deswegen einige schlimme Dinge widerfahren. Sam bekommt Schuldgefühle und fängt an zu trinken. Er verliert seinen Job und endet als Herumtreiber. Mary, die ihre Unschuld verloren hat, wird von ihrer Familie geächtet. Sam verläßt sie. Am Ende begeht sie Selbstmord. Sie haben Ihre Prämisse unter Beweis gestellt, nicht in der wirklichen, sondern in der fiktiven Welt des Romans. Sex vor der Ehe hat ins Unglück geführt. Diese Prämisse ist keine universelle Wahrheit - sie trifft nicht auf alle Paare, aber auf Sam und Mary zu.
Ihr nächster Roman könnte als Prämisse haben: »Sex vor der Ehe führt ins Glück«. In diesem Roman gehen Harry und Beth miteinander ins Heu, und ihr eintöniges Leben als Traktorfahrer bzw. Melkerin ändert sich von Grund auf: Sie fassen sich ein Herz, verlassen die Farm und machen in der Stadt Karriere. Weil es nicht stimmt, daß Sex vor der Ehe in jedem Fall ins Glück führt, ist dies keine universelle Wahrheit, aber sie trifft auf Harry und Beth innerhalb der fiktiven Welt zu, die Sie geschaffen haben.
Die Prämisse einer Geschichte ist einfach eine Feststellung des-sen, was mit den Figuren als Ergebnis des zentralen Konflikts der Geschichte passiert. Betrachten Sie die folgenden Beispiele:
• Im Paten zeigt uns Mario Puzo, wie ein anfangs widerstrebender Sohn ein Mafiaboß wird, weil er seine Familie liebt und respektiert. Die Prämisse: »Loyalität der Familie gegenüber führt zu einem kriminellen Leben.« Puzo hat sie sehr schön belegt.
• In Der alte Mann und das Meer will Hemingway die Prämisse beweisen: »Mut führt zur Erlösung.« Im Fall des alten Mannes stimmt das.
• Dickens zeigt uns in Ein Weihnacbtslied in Prosa einen geizigen alten Mann, der von den Geistern der Weihnacht mit seinen Untaten konfrontiert und in eine Art Weihnachtsmann verwandelt wird. Die Prämisse: »Erzwungene Selbstprüfung führt zu Großzügigkeit.«
• Le Carre zeigt uns im Spion der aus der Kälte kam, daß selbst der größte Meisterspion durch die Doppelzüngigkeit seiner Regierung demoralisiert werden kann. Die Prämisse: »Erkenntnis führt zum Selbstmord.«
• Keseys Einer flog über das Kuckucksnest belegt die Prämisse: »Selbst die unerbittlichste und grausamste psychiatrische Anstalt vermag den mensch-lichen Geist nicht zu brechen.«
• Nabokovs Lolita beweist: »Große Liebe führt zum Tod.« In Humbert Humberts Fall ist das richtig.
• Flaubert kannte die Bedeutung der Prämisse. Madame Bovary beweist: »Verbotene Liebe führt zum Tod.«
Hat jede spannende Geschichte ihre Prämisse? Ja. Eine und nur eine Prämisse? Ja. Man kann nicht auf zwei Fahrrädern zugleich fahren, und man kann nicht zwei Prämissen auf einmal beweisen. Was wäre denn, wenn Dickens in Ein Weihnachtslied in Prosa neben seiner Prämisse »Verbrechen zahlt sich nicht aus« ebenfalls zu beweisen versuchte: »Erzwungene Selbstprüfung führt zu Großzügigkeit«? Er müßte Scrooge als Betrüger entlarven. Das würde nicht klappen, oder? Was wäre, wenn Kesey zu beweisen versucht hätte: »Die Liebe überwindet alle Hindernisse« zusätzlich zu seiner anderen Prämisse: »Selbst die unerbittlichste und grausamste psychiatrische Anstalt vermag den menschlichen Geist nicht zu brechen«? Dann hätte er wirklich ein Kuckucksnest gehabt. Wie hätte er da gleichzeitig seinen Beweis von der unzerbrechlichen Natur des menschlichen Geistes führen können? Natürlich überhaupt nicht.
Warum eine Geschichte nur eine Prämisse haben kann, ist dann völlig einleuchtend, wenn man verstanden hat, was eine Prämisse eigentlich ist. In der Erzählprosa ist die Prämisse das Ergebnis einer fiktiven Argumentation. Man kann nicht zwei Prämissen in einer realen Argumentation beweisen; dasselbe gilt für die fiktive Argumentation. Angenommen, Ihr Held ist am Ende tot. Wie ist es dazu gekommen? Er ist gestorben bei dem Versuch, eine Bank zu überfallen. Er hat versucht, die Bank zu überfallen, weil er Geld brauchte. Er brauchte Geld, weil er von zu Hause weglaufen wollte. Er wollte von zu Hause weglaufen, weil er irrsinnig verliebt war. Also war seine irrsinnige Verliebtheit die Ursache seines To-des. »Große Liebe führt zum Tod« ist die Prämisse.
Wenn das Ende der Geschichte nicht
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