Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
und da Sie Kurt Vonnegut mögen, sagen Sie sich, hm, das könnte gut sein. Sie haben eine bestimmte, auf dem Romantyp basierende Erwartung. Sie lesen die nächste Seite. Dort steht ein Zitat von Shakespeare: »Unter faulen Äpfeln ist die Wahl nicht groß.« Okay, denken Sie, das ist eine Komödie. Genau was für eine, wissen Sie noch nicht, doch wenn das Buch mit einem Zitat wie diesem anfängt, muß es eine Komödie sein.
Das erste Kapitel enthält den Bericht des Protagonisten/Erzäh-lers, der mit dem Autor selbst identisch ist. Dieser verbringt ein paar wilde Jahre an einer High School in Syracuse, New York, Mitte der fünfziger Jahre, er trinkt viel, liebt sich mit einem albernen Mädchen auf der Rückbank eines 49er Mercury, wird von einem Außenverteidiger des Football-Teams zusammengeschlagen. Lauter lustige Geschichten. Der Ton ist leicht, die Dialoge locker und witzig; Sie kommen zu dem Schluß, daß es sich um ein ähnliches Buch wie Der Fänger im Roggen handelt, nur komischer. Nun haben Sie den Typ bzw. das Genre festgelegt. Dabei haben Sie sich vom Titel, der Widmung, dem Shakespeare-Zitat und dem Inhalt des ersten Kapitels leiten lassen.
Das zweite Kapitel fängt damit an, daß das alberne Mädchen aus dem ersten Kapitel brutal ermordet aufgefunden wird, und Jimmy, der unbeschwerte Erzähler, wird dieses Verbrechens beschuldigt. Man stellt fest, daß das Opfer von Jimmy schwanger war. Sie mer-ken plötzlich, daß Sie sich in Ihren Vermutungen hinsichtlich des Genres geirrt haben. Dieser Roman scheint auf einmal todernst. Ihr Held macht sich auf die Suche nach dem wirklichen Mörder. Sie glauben nun, daß der zentrale Konflikt darin besteht, den Mörder zu finden, und klassifizieren folglich das Buch als Kriminalroman, was bereits ihre vierte Vermutung hinsichtlich des Typs ist. Ihre Vorstellung vom Genre des Buchs hat sich inzwischen erheblich verändert - von einer Komödie zu einem Kriminalroman.
Das dritte Kapitel fängt damit an, daß Jimmy auf außerirdische Wesen trifft. Diese Gestalten kommen vom Planet K-74, der The Fruitcake genannt wird, weit draußen in der Galaxis. Sie hatten das Mädchen vor einigen Jahren auf der Erde zurückgelassen und kommen nun, um es zurückzuholen. Die Außerirdischen entpuppen sich als Trottel, und das Buch wird zu einer bizarren Farce, in der einer der Außerirdischen wegen der Ermordung des Mädchens vor Gericht gestellt wird …
So also läuft diese Geschichte.
Sie werden feststellen, daß der Leser, während er liest, immer wieder Entscheidungen bezüglich des vom Autor intendierten Romantyps trifft; die Absicht des Autors, so wie der Leser sie wahrnimmt, bestimmt das Genre. Wie Sie am Beispiel der Farce mit dem Titel The Fruitcake sehen, spielt es keine Rolle, ob es das Genre »kriminalistische Science-FictionSexkomödie mit Gerichtsszenen« überhaupt gibt. Der Leser korrigiert seinen Genrebegriff, während er liest, doch zu gewissen Korrekturen wird er nicht bereit sein. Die meisten Leser wollen sofort erkennen, um welches Genre es sich handelt - nach Möglichkeit durch Schutzumschlag oder Klappentext. Wenn Sie den Leser zu sehr an der Nase herumführen, wird er Ihren Roman zuklappen. Dann sind Sie der Verlierer. The Fruitcake würde bedauerlicherweise als »verrückter« Roman bezeichnet werden und nicht viele Leser finden.
Einige Genres sind erfolgreicher auf dem Markt als andere, weil Leser aus ihrer bisherigen Erfahrung wissen, daß sie beispielsweise Kriminalromane surrealistischen Fantasy-Romanen vorziehen. So einfach ist das. Leicht identifizierbare Erzählgenres lassen sich leichter verkaufen. Verleger wissen, was Leser mögen. Zumindest reden sie sich das gerne ein. Nur wenige Verleger wollen das Risiko eingehen, mit den Konventionen zu brechen. Auf diese Weise werden die Genrekonventionen im Laufe der Zeit immer enger, bis sie schließlich so eng sind, daß sie für den Autor eine Art Zwangsjacke darstellen. Wenn dieser Fall eintritt, haben wir es mit Sche-ma-Literatur zu tun, die nach sehr strengen Richtlinien verfaßt wird. Liebesromane sind zum größten Teil dazu zu rechnen.
Ganz gleich in welcher Tradition Sie schreiben, ob literarisch, populär oder in einer der vielen anderen Kategorien - Science Fiction, Liebesroman, Kriminalroman, Schauerroman, Fantasy usw. -, Sie müssen die Konventionen, Regeln und Schemata dieser Romantypen kennen, oder Sie können den Gedanken an eine Veröffentlichung
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