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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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und tot.
    Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß auch ich für kurze Zeit diese Art zu schreiben am College unterrichtet habe. Mein Fachleiter hatte mir erklärt, daß es keine große Rolle spiele, was in den Arbeiten gesagt wird. Es dürften jedoch keine Vulgärausdrücke vorkommen, was bedeutete, daß eine Menge verdammt gutes Vokabular nicht benutzt werden konnte. Aber worum zum Teufel geht es denn beim guten Schreiben, wenn keine Rolle spielt, was gesagt wird? Oder wenn die Persönlichkeit des Schreibers abgewürgt wird? Diese Haltung seitens des Bildungsestablishments ist der Grund dafür, daß es so viele langweilige Texte gibt und gutes Schreiben so selten ist wie eine Orchidee in den Alpen.
    Da die meisten von uns Angst hatten, mit schlechten Noten nach Hause zu kommen, haben wir uns verdammt noch mal bemüht, es unseren Lehrern recht zu machen. Also haben die meisten von uns so geschrieben, wie es von uns erwartet wurde, und wenn wir irgendwelche Bedenken hatten, haben wir sie runtergeschluckt. Normalerweise haben wir unsere Individualität nur darin behauptet, daß wir unsere Hausarbeiten möglichst schnell schrieben, so daß wir vor unseren Freunden angeben konnten: »Ich hab denen hingeknallt, was sie wollen. Für die ganzen zwanzig Seiten hab ich nur drei Stunden gebraucht.«
    Doch wenn Sie einen Roman schreiben, müssen Sie den Löwen aus sich heraus und brüllen lassen.
    Um das zu lernen, sehen Sie sich am besten Bücher von Autoren an, die eine starke Erzählerstimme haben, und untersuchen, wie diese das erreichen. Schreiben Sie einige Abschnitte Wort für Wort ab, dann imitieren Sie sie. Wenn Sie das täglich machen, werden Sie bald in der Lage sein, in einem halben Dutzend Stimmen zu schreiben.
    Dann versuchen Sie, dieselben Abschnitte in verschiedenen Erzählerstimmen zu schreiben.
    Hier ist beispielsweise ein Ausschnitt aus einem Roman, der im typischen Stil eines Spionageromans mit einer neutralen Stimme geschrieben ist:
    Biggs war an jenem Morgen schon früh in seinem winzigen Büro in Sektion vier und fing an, die Berichte durchzugehen, die mit dem Nachtkurier aus Kairo gekommen waren. So ziemlich das Übliche. Ace Two, der mit einem Angestellten beim sowjetischen Konsulat über irgendwelche Raketentechnologien verhandelte, beantragte mehr Geld. Der hauptamtliche Kryptologe beantragte einen Monat Urlaub. Außerdem sollte die Abhöreinrichtung repariert werden, die vom sowjetischen Doppelagenten im ägyptischen Verteidigungsministerium beschädigt worden war.
    Er setzte auf die meisten Anträge den Stempel: Gebilligt und schickte sie zur endgültigen Genehmigung an seinen Vorgesetzten weiter. Dann machte er sich an ein Memorandum für den Sektionschef in Alexandria wegen der Informationen über den Abzug von Flugzeug - trägern von der syrischen Küste, die an die Medien durchgesickert waren. Plötzlich klingelte sein Telefon. Es war Hilsons Sekretärin, die ihm erklärte, er solle sofort zu einer Dringlichkeitssitzung in das Büro des stellvertretenden Direktors kommen. Er hatte keine Ah- nung, was der Alte wollte, aber er spürte, wie sich ihm vor Angst der Magen zuschnürte.

Jetzt wollen wir das gleiche aus einem anderen Blickwinkel versuchen. Spionagethriller sind oft in einem zynischen Tonfall geschrieben, was der Erzählerstimme eine zusätzliche Dimension gibt:
    Biggs war an jenem Morgen schon früh in seinem winzigen Büro in Sektion vier und fing an, die Berichte durchzugehen, die mit dem Nachtkurier aus Kairo gekommen waren. Der übliche Quatsch, dachte Biggs. Ace Two, der mit diesem raffgierigen Angestellten beim sowjetischen Konsulat über Raketentechnologien verhandelte, beantragte mehr Geld. Ein Kryptologe wollte einen Monat Urlaub auf Mallorca machen, wo er die Raketentechnologie vermutlich wieder an die Sowjets verkaufen würde. Außerdem sollte die Abhöreinrichtung repariert werden, die vom sowjetischen Doppelagenten im ägyptischen Verteidigungsministerium beschädigt worden war. Ein unangenehmer Haufen, diese Ägypter, dachte Biggs. Die wechseln die Seiten so oft, wie sie ihre Strümpfe wechseln.
    Er setzte auf die meisten Anträge den Stempel: Gebilligt und schickte sie zur endgültigen Genehmigung an seinen gehirntoten Vorgesetzten weiter, der noch einmal einen Stempel daruntersetzte. Dann machte er sich an ein Memorandum für den Sektionschefin Alexandria wegen der Informationen über den Abzug von Flugzeugträgern von der syrischen Küste, die ärgerlicherweise an die

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