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Wie man Freunde gewinnt

Wie man Freunde gewinnt

Titel: Wie man Freunde gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Carnegie
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gekommen wäre und sich ihre Klagen angehört hätte, dann wäre dem Geschäft eine langjährige Kundin für immer verlorengegangen.
    Zuhören ist aber nicht nur im Geschäft, sondern auch zu Hause in der Familie wichtig. Eine vielbeschäftigte Hausfrau und Mutter hatte es sich zur Pflicht gemacht, aufmerksam zuzuhören, wenn eines ihrer Kinder mit ihr sprechen wollte.
    Eines Abends saß sie mit ihrem jüngsten Sohn in der Küche, als dieser nach einem kurzen Gespräch über ein Problem, das ihn beschäftigt hatte, erklärte: «Ich weiß, daß du mich sehr gern hast, Mama.»
    Gerührt gab sie zur Antwort: «Natürlich habe ich dich sehr
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    gern. Hast du jemals daran gezweifelt?»
    «Nein», entgegnete der Junge, «aber ich bin ganz sicher, daß du mich gern hast, denn immer, wenn ich über etwas mit dir sprechen möchte, legst du deine Arbeit ab und hörst mir zu.»
    Chronische Nörgler, sogar böse Kritiker werden in Gegenwart eines geduldigen, verständnisvollen Zuhörers oft zahm - eines Zuhörers, der schweigt, während der wütende Besserwisser Gift und Galle spritzt. Die New Yorker Telefongesellschaft hatte es vor einigen Jahren mit einem ganz besonders üblen Kunden zu tun. Er fluchte die Telefonistinnen an, tobte und drohte, das Telefon mitsamt der Wurzel auszurotten. Er weigerte sich, gewisse Gebühren zu bezahlen, und behauptete, daß sie nicht stimmten. Er schrieb Leserbriefe an die Zeitungen. Er reichte bei den Behörden unzählige Klagen ein und strebte verschiedene Prozesse gegen die Telefongesellschaft an.
    Schließlich schickte die Gesellschaft einen ihrer tüchtigsten
    «Friedensrichter» gegen diesen Stänkerer vor. Der Beamte tat erst einmal gar nichts anderes als zuhören und ließ dem streitsüchtigen alten Knaben das Vergnügen, sich nach Herzenslust auszutoben. Er hörte zu, sagte «ja» und zeigte Verständnis für die Klagen seines Klienten.
    «Er tobte etwa drei Stunden lang», erzählte der
    Telefonbeamte vor meiner Klasse. «Später ging ich wiederum hin und hörte mir abermals an, was er zu kritisieren hatte.
    Viermal ging ich zu ihm, und bei meinem vierten Besuch wurde ich Mitglied einer Organisation, die er ins Leben rufen wollte.
    Er nannte sie ‹Verein zum Schütze der Telefonabonnenten›. Ich bin noch immer Mitglied dieses Vereins und meines Wissens außer seinem Gründer das einzige Mitglied auf der ganzen Welt.
    Ich hörte ihm zu und zeigte Verständnis für jede Beschwerde, die er während meiner Besuche vorbrachte. Nie zuvor hatte sich ein Vertreter der Telefongesellschaft so zu ihm verhalten. Am Schluß wurde er beinahe freundlich. Der Grund, der mich zu
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    ihm geführt hatte, wurde während meines ersten Besuches überhaupt nicht erwähnt. Auch nicht beim zweiten und dritten Besuch. Als ich ihn zum viertenmal sah, schlossen wir den ganzen Fall ab, und er bezahlte sämtliche Rechnungen und zog seine Klagen zurück.»
    Zweifellos hielt sich dieser unzufriedene Kunde für einen Kreuzritter, der die Rechte des Bürgers gegen die abgefeimte Ausbeutung durch die Telefongesellschaft verteidigt. In Wirklichkeit aber verlangte er nach Selbstbestätigung. Durch sein Nörgeln und Klagen verschaffte er sich das Gefühl, bedeutend zu sein. Sobald ihm nun die Anwesenheit des Telefonbeamten dieses Gefühl vermittelte, löste sich seine eingebildete Unzufriedenheit in Luft auf.
    Eines Morgens, es ist schon lange her, stürmte ein verärgerter Kunde ins Büro von Julius F. Detmer, dem Gründer der Detmer-Wollwarengesellschaft, einer der größten Wollwarenfirmen der Welt.
    «Dieser Mann schuldete uns einen kleinen Geldbetrag», erzählte mir Mr. Detmer. «Er stritt es zwar ab, aber wir wußten, daß er im Unrecht war, und deshalb bestand unsere Buchhaltung darauf, daß er bezahlen sollte. Nachdem er eine Reihe von Mahnbriefen erhalten hatte, machte er sich auf die Socken, reiste nach Chicago und kam in mein Büro, um mir mitzuteilen, daß er erstens nicht daran denke, unsere Rechnung zu bezahlen, und zweitens nie mehr für einen Dollar bei der Detmer-Wollwarengesellschaft einkaufen werde.
    Ich hörte ihm geduldig zu, wobei ich allerdings öfter versucht war, ihn zu unterbrechen, aber ich sah ein, daß das eine sehr ungeschickte Taktik wäre und ließ ihn erst einmal ausreden. Als er sich etwas abgeregt hatte und wieder aufnahmefähig war, entgegnete ich ruhig: ‹Ich möchte Ihnen danken, daß Sie nach Chicago gekommen sind, um mir das alles zu sagen. Sie haben mir damit einen

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