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Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Titel: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Chatfield
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Computern speichern wie unsere Gefühle und Überzeugungen – und schon gar nicht zwischen ihnen und »uns« trennen.
    Der Autor Nicholas Carr formulierte es in seinem 2010 erschienenen Buch Wer ich bin, wenn ich online bin … folgendermaßen: »Was dem echten Gedächtnis seinen Reichtum und seinen Charakter verleiht, ganz zu schweigen von seinen Geheimnissen und seiner Empfindlichkeit, ist seine Kontingenz. Es existiert in einem zeitlichen Kontext und verändert sich mit dem Körper … aber wenn wir anfangen, [das Internet] als Gedächtnis-Ersatz zu benutzen und den inneren Prozess der Konsolidierung überspringen, riskieren wir, dass der Reichtum unseres Geistes dabei verloren geht.« 2

    Trotz aller Hoffnungen viktorianischer Wissenschaftler lässt sich der menschliche Geist nicht wie eine Maschine in einzelne Teile untergliedern.
( Phrenologie © World History Archive / Alamy)
    Jeder Computer und jedes Gerät mag einzigartig sein und eine einzigartige Geschichte besitzen, doch macht sie nicht ihre Geschichte zu dem, was sie sind. Oft funktionieren sie trotz ihrer Geschichte, wie jeder weiß, der mit dem Problem sich verlangsamender Betriebssysteme vertraut ist. Für eine Maschine ist die Vergangenheit ein Klotz am Bein. Das Beste ist es, Informationen sauber zu klassifizieren und den operativen Sektor frei zu halten. Eine hübsche Lektion über die Produktivität in der Arbeitswelt – aber das exakte Gegenteil davon, was es braucht, um einen gut bestückten menschlichen Geist herauszubilden.
    3.
    Wenn wir die Natur und die Qualität unserer Interaktionen mit anderen um uns herum betrachten, erkennen wir, dass die Systeme, die uns eine Kontrolle über unser Dasein verschaffen – E-Mail, Textbotschaften, Status-Updates, soziale Netzwerke –, das Potenzial besitzen, uns all dessen zu berauben, was ein reiches Leben als menschliches Wesen ausmacht: eine gemeinsame Geschichte, tiefe Gefühle und das gegenseitige Anerkennen unserer jeweiligen Einzigartigkeit.
    Trotz der düsteren Prognosen von Kritikern wie Carr muss das aber nicht zwangsläufig eintreten. Hier geht es nämlich nicht einfach nur um verschiedene Aufmerksamkeits- und Gedächtnismodi, sondern um die unterschiedlichen Denkweisen, die ihnen zugrundeliegen – ein Feld, auf dem wir Menschen uns sowohl eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit als auch die Oberhand über die Vorgänge in unseren Köpfen bewahrt haben.
    Nehmen wir einmal das wachsende Feld, das in den Computerwissenschaften als »Memory Engineering« bezeichnet wird. Hier wird versucht, der immensen digitalen Informationsfülle, die wir alle produzieren, nicht durch brachiale Anhäufung Herr zu werden, sondern vielmehr durch das Bestreben, diese Daten zu vermenschlichen – und sie so von leblosem elektronischen Zeug zu etwas Esoterischerem zu machen, differenziert und tief empfunden.
    Der New Yorker Programmierer Jonathan Wegener war beispielsweise an der Erfindung eines Dienstes beteiligt, der auf unseren digitalen Pfaden Dinge hervorhebt, die sich exakt vor einem Jahr ereignet haben: PastPost nutzt Facebook, um uns Aktivitäten, die genau ein Jahr zurückliegen, auf unseren Account »zurückzubringen«. Der Dienst mit dem Slogan »Was haben Sie vor einem Jahr auf Facebook gemacht?« ist eigentlich eine simple Idee, doch zeigt sie, wie leicht es ist, aus undifferenzierten elektronischen Aufzeichnungen eine individuelle menschliche Geschichte zu rekonstruieren.
    Schließlich sind Daten nur dann leblos, wenn wir es ihnen gestatten. Ich betrachte die Facebook-Seiten meiner Freunde, ihre Websites, sogar ihre Game-Avatare – und sehe dort keinesfalls etwas Antimenschliches, sondern vielmehr die wiederholte Durchsetzung individueller Kontrolle. Eine Beziehung via SMS zu beenden mag kaltherzig und feige erscheinen, doch an einer Geburtsanzeige auf einer Social-Network-Seite, mit hundert guten Wünschen von Freunden und Verwandten, stört sich niemand.
    Daneben quillt das Internet förmlich über vor Anwendungen und Ratschlägen, wie man sich auf eine einzelne Aufgabe besser fokussieren kann. Die angebotenen Techniken reichen von einem Programm, das sämtliche Netzwerkverbindungen für eine bestimmte Zeit kappt, bis hin zu sogenannten »Dunkelkammer«-Programmen, die das Display beim Tippen auf einen schwarzen Hintergrund reduzieren.
    Die vielleicht größte Herausforderung bei der Kultivierung einer neuen Geisteshaltung für das digitale Zeitalter liegt jedoch nicht in der

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