Wie man leben soll: Roman (German Edition)
gesetzt fühlt, sollte man in die Tierhandlung gehen und eine schwarze, drei Monate alte Katze erwerben.
Das Vieh ist eine Dame. Noch an Ort und Stelle nennt man sie Ascuas. Dazu kauft man ein Katzenklo, einige Dosen Katzenbabyfutter, Spielzeug und Geschirr. Im ebenfalls neuerworbenen Korb bringt man sie nach Hause.
Da Ascuas über den Ortswechsel irritiert zu sein scheint, lässt man sie, nachdem man ihr einen bequemen Platz bereitet und ein Menü serviert hat, in Frieden. Den Fernseher dreht man leise. Von Zeit zu Zeit kann man sich nicht beherrschen. Man kriecht zur Katze. Man streichelt sie und begeistert sich an der herzzerreißenden Art, mit der sie sich säubert, an der entgegengestreckten Hand schnuppert, mit ihrem eigenen Schwanz spielt und einem Faden hinterherjagt. Dabei überschlägt sie sich, wirft ein paar auf dem Boden stehende Gläser um, miaut, schnurrt, macht Spektakel. Gut, dass Nero nicht hier ist. Man kann sich ausmalen, wie sich der Lüstling auf sie gestürzt hätte.
Man ist vom Auftritt des Kätzchens so hingerissen, dass man sogar den für den Abend geplanten Besuch im Jack Point absagt. Statt dessen bittet man Mirko, vorbeizukommen. Als er von Ascuas hört, sagt er zu. Auch er mag Tiere.
Merke: Wenn man nach dem Erwerb einer Katze etwas durcheinander ist, kann es geschehen, dass man Dinge herumliegen lässt, die man vor den Augen anderer schützen sollte.
– Sag bloß, du hast denen auf so eine Anzeige hin geschrieben!, ruft Mirko und wedelt mit dem Brief.
Er gibt keine Ruhe, ehe man gebeichtet hat.
– Und was hast du jetzt vor?
– Gar nichts. Den Brief wegwerfen, am besten verbrennen, und vergessen, dass ich so etwas bekommen habe.
– Das wirst du mitnichten!, ruft Mirko aus. Hier, siehst du – er nimmt ein Blatt Papier und beginnt zu schreiben – Liebe Eheschlampe, ich werde gern »kommen«…
Er grinst vor sich hin, und seine Gewandtheit und physische Überlegenheit machen es einem unmöglich, ihm den Zettel zu entreißen. Ungerührt fälscht er Schrift und Unterschrift. Die Adresse der Eheschlampe schreibt er auf ein herumliegendes Kuvert. Er steckt den Brief hinein und läuft aus der Wohnung. Man rennt ihm nach, aber er ist weder durch Zerren an seiner Jacke noch durch Geschrei und Drohungen aufzuhalten. Er schiebt den Umschlag in den Briefkasten, dann umarmt er einen und lacht.
Zurück in der Wohnung, lässt man sich resigniert auf dem Bett nieder und beobachtet apathisch, wie Mirkos Hände Bekanntschaft mit Ascuas’ Krallen machen.
Wenn man am 24. Dezember zu Mittag Tante Ernestine besucht und ihr das schuhkartongroße Modell eines Mercedes 600 schenkt, ist sie so gerührt, als hätte man ihr unter unsäglichen Mühen einen Pullover gestrickt. Der Mercedes 600 ist ihr Lieblingsauto.
Von ihr bekommt man ein Kuvert. An der Natur des Inhalts besteht kein Zweifel, es handelt sich einzig um die Frage, wie viele Tausender es diesmal sind.
Sie will Kaffee kochen. Man übernimmt das selbst. Danach wäscht man das Geschirr ab. Seit einigen Wochen ist sie nicht mehr so gut zu Fuß. Das macht einen nervös. Man kann sich denken, was das zu bedeuten hat. Wahrhaben will man es nicht. Tante Ernestine zu verlieren wäre das größte Unglück, das man sich vorstellen kann.
Wenn ein altes Familienmitglied in
stato abeundi
ist, merkt man das an seinem Verhalten. Tante Ernestine ist ruhiger geworden. Oft spürt man, dass man von ihr beobachtet wird. Sie sitzt da, sieht einen unverwandt an und scheint zu sinnieren, was aus einem wohl werden wird, wenn sie nicht mehr ist. Sie bereitet sich vor.
Wenn man am frühen Abend bei den Tankels eintrifft, um das Weihnachtsfest zu begehen, genügt ein Blick auf die Gästeschar, um zu wissen, dass ein Desaster unausweichlich ist. Alle sind da. Mutter, die Tankels, Onkel Hans und Tante Wilma. Dazu sind neue beste Freunde der Familie geladen, weil sich das nachTante Kathis Ansicht so gehört: Eine anständige Familie lädt zur Bescherung gute Freunde der Familie ein. Es trifft die Sedlaks, die einen höflich, aber mit einer gewissen Zurückhaltung begrüßen. Viel weiß man nicht über die beiden. Sie trägt ständig einen Rosenkranz bei sich, er ist Vertreter für Versicherungen.
In einem unbeobachteten Moment lockert man die Krawatte. Man sieht sich um. Alle tragen Anzug und Filzpantoffeln.
Um Punkt zwanzig Uhr läutet ein Glöckchen. Die sentimentale Tante Wilma legt die
Stille-Nacht -
Platte auf. Alle beginnen
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