Wie man leben soll: Roman (German Edition)
ist sogar froh, wenn die Frau des Seifensieders in ihren Holzpantoffeln heruntertrampelt, um ihren Mann zu fragen, ob alles in Ordnung sei. Er nützt die Gelegenheit, und man wird in den dreißig Sekunden, die sie im Keller zubringt, wie bei einem Reaktionstraining von einer Ecke in die andere gehetzt. Doch die Anwesenheit der Frau, die noch um einiges mehr zu wiegen scheint als man selbst, stellt immerhin eine Abwechslung dar im lähmenden Eingeschlossensein mit dem Seifensieder.
Zur Melodie von
I like to be in America
singt man:
Ich bin der arme Hosenmann
Der sehr viel arme Handtuchmann
Man kennt den armen Eiermann
Ich bin der ärmste Armenmann!
Und vor lauter Begeisterung steigert man sich in immer unmöglichere Crescendi hinein:
Ich bin der ärmste Armenmann!
Ich bin der äääärmste Armenmaaaaann!
Der Seifensieder schaltet die Stereoanlage leiser, schielt an einem vorbei und fragt:
– Was ist mit dir?
Stunden vergehen. Noch immer bastelt der Seifensieder an seinem Herd und erklärt einem Dinge, die man schon wieder vergessen hat, noch ehe der betreffende Satz zu Ende gesprochen wurde. Man muss dies und jenes tun, dahin und dorthin laufen, diese Zange und jenen Schraubenzieher bringen, diesen Knopf drücken und jenen Hebel ziehen.
Dabei denkt man an alles mögliche. Etwa, ob man sich ein Haustier zulegen sollte. Für einen Hund spricht, dass er einen treuen Charakter hat. Aber will man jeden Tag, jede Nacht und bei jedem Wetter raus, um zur nächsten Laterne zu spazieren? Da wäre eine Katze wiederum besser. Aber Katzen sollen eigenwillige Biester sein. Ein Hamster vielleicht. Ein Hamster läuft die ganze Nacht in seinem Laufrad und gibt tagsüber Frieden. Dafür stinkt er. Manche Leute halten sich auch Ratten.
– Ja, den Knopf dort, bestätigt der Seifensieder unwirsch und zeigt auf einen Hebel an der Wand.
Man zuckt die Schultern. Ein Hebel ist ein Hebel und kein Knopf, aber wer wird sich mit einem gereizten Seifensieder über sprachliche Feinheiten unterhalten. Man drückt den Hebel nach unten, es zischt, und schon ist der Seifensieder tot.
Merke: Wenn man durch einen Menschen Starkstrom jagt, stirbt er, auch wenn er selbst Arzt ist.
Dass man aufgrund diverser Eskapaden der Mutter bereits Gerichtserfahrung hat, nützt einem nicht viel, wenn man derjenige ist, den sich die harten Burschen von der Mordkommission »vornehmen«. In so einer Situation kommt man gar nicht auf den Gedanken, etwas zu erfinden oder wegzulügen. Viehische Roheit schaut diesen Menschen aus dem Gesicht, und wäre da nicht Major Trautmannsdorf, der brummige Bulle mit Herz, man würde sich vor aller Augen in die Hose machen.
– Er hat gesagt, du sollst den Knopf drücken. Ein Hebel ist aber kein Knopf.
– Das habe ich mir auch gesagt. Ein Hebel ist ein Hebel und kein Knopf.
– Aber du hast den Hebel runtergedrückt. Neben dem Hebel ist weit und breit kein Knopf zu sehen.
– Das weiß ich ja. Ich habe nicht nachgedacht. Ich war zerstreut. Ich habe überlegt, ob ich mir einen Hund kaufen sollte.
– Du Rotzlöffel, donnert einer der Männer mit den tierischen Zügen dazwischen und bohrt einem den Zeigefinger in den Magen, du Fettsack, du Lump, du willst uns hier auf den Arm nehmen?
– Wenn ich Ihnen erklären dürfte …
– Ein Hebel ist ein Hebel, sagt ein anderer von hinten, ein Hebel ist kein Knopf.
Wenn man in die Zeitung kommt, weil man einen Freund der Familie aus Versehen gegrillt hat, ist dies nicht die angenehmsteReklame und auf keinen Fall jene Berühmtheit, die man sich erträumt hat. Journalisten rufen an und wollen Genaueres wissen. Man fürchtet, ins Gefängnis gehen zu müssen. Der Anwalt, den Tante Kathi bezahlt hat, spricht so lange von Tötung, Totschlag, Fahrlässigkeit, Unfall, bis einem der Kopf brummt.
Dass man schließlich sogar ohne Gerichtsverfahren davonkommt, die Staatsanwaltschaft keine Klage erhebt, verdankt man einem gewissenhaften Gerichtsmediziner, der die gebrochenen Augen des Seifensieders untersucht und einen Fehlstand von fünf Metern errechnet.
Beim Lokalaugenschein in der Werkstatt erweisen sich alle Angaben, die man gemacht hat, als korrekt. Fünf Meter neben dem Hebel befindet sich ein Knopf.
– Sehen Sie, Herr Kollege, sagt Major Trautmannsdorf, alles hat seine Richtigkeit.
– Ist ein Hebel ein Hebel? Oder ist er ein Knopf?
– Ich bitte Sie, man kann doch einmal zerstreut sein.
– Feine Zerstreutheit, wenn man
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