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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Spinner, sagt er noch, dann geht er weiter und reißt den Hund mit sich fort.
    Man reibt sich die brennende Wange. Laura hebt die Brille auf. Sie streckt die Hand aus und will einem aufhelfen, aber man ist zu schwer und muss sich selbst hochziehen.
    – Das war jetzt vielleicht nicht   …
    – Nein, das war jetzt vielleicht nicht, grinst sie.
     
    Merke: Man darf nicht alles glauben, was man denkt.
     
    Wenn man von Laura auf dem Weg vom Kino in ein Lokal zum ersten Mal geküsst wird, bleibt einem die Luft weg.
    Interessanterweise denkt man gar nicht daran, gleich mit ihr zu schlafen. Man ist überglücklich mit dem, was sie einem gewährt. Es ist ja tatsächlich spannend genug, die neuen Brüste zu befühlen. Den neuen Hintern zu betasten. Den neuen Kopf zu streicheln. Mit brennender Backe steht man an einer Kreuzung und schmust. Mehr kann man sich gar nicht vorstellen in diesem Moment. Es ist der Gipfel des Glücks.
    Endlich.
    Wenn man an einer Kreuzung zum ersten Mal mit seiner Geliebten knutscht und in diesem Moment kommt Tante Kathi auf dem Heimweg von ihrer wöchentlichen Kartenrunde vorbei, wird man gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt.
    – So verliebt? Wer ist denn die junge Dame?
    In dieser Situation eine passende Antwort zu geben fällt schwer. Man blickt die erstaunte Tante an. Man blickt die erstaunte Laura an. Ehe man einen Gedanken fassen kann, lacht Tante Kathi. Streicht einem über den Kopf. Sagt, sie freue sich, wenn es ihrem Großneffen gutgehe. Als man von ihr geküsst wird, riecht man ihren Weinatem.
    Auf offener Straße zückt sie ihre Geldbörse, entnimmt ihr einen Hunderter, steckt ihn einem in die Tasche und sagt lächelnd, man solle sich besser ins Warme setzen. Vielleicht einen Tee trinken. Es sei kalt, man verkühle sich leicht.
    – Auf Wiedersehen, Fräulein, es hat mich sehr gefreut.
    Sie wackelt davon. Laura starrt einen an.
    Man kommt nicht dazu, über etwaige Konsequenzen nachzudenken. Laura will wissen, wer die Dame war.
    – Könnten wir über etwas anderes sprechen?, bittet man.
    Einige Minuten schlendert man mit ihr schweigend dahin.
    – Wovon lebst du eigentlich?, fragt Laura.
    Herzlichen Dank, liebe Tante, denkt man, aber laut sagt man:
    – Aktien.

 
    Wenn man Mutter die Wäsche vorbeibringt, ruft sie heiter:
    – Was höre ich? Du hast eine neue Freundin?
    Ein rechtschaffener Mensch lässt es sich nicht einfallen, mit einem Elternteil über Liebe und Geschlechtliches zu sprechen. Von der Peinlichkeit abgesehen, könnte man der Gefahr anheimfallen, Details aus dem Liebesleben der Eltern zu hören, und das ist bei Gott das Letzte, was man auf Erden zu erfahren trachtet. Also versucht man unter Zuhilfenahme von Gebärden, Mimik und Stöhnen Mutter daran zu erinnern, dass man über sein Privatleben nicht zu reden gewillt ist.
    – Kannst es ja sagen. Besonders hübsch ist sie nicht, behauptet Tante Kathi, aber sie scheint nett zu sein. Erzähl doch   …
    Man winkt ab. Zu allen weiteren Einwänden schüttelt man den Kopf. Unauffällig sieht man sich um. In letzter Zeit scheint es Mutter besser zu gehen. Die Wohnung ist aufgeräumt. Es stehen nicht so viele leere Flaschen herum. Man hört und sieht nichts von dubiosen Männerbekanntschaften.
    Die saubere Wäsche wirft man in eine Reisetasche. Neben dem Wäschestapel steht eine frische Packung Diätpillen. Man macht Mutter darauf aufmerksam, dass man das ungesunde Zeug nicht zu schlucken gewillt ist. Sie entgegnet, das würde einem nicht schaden und Tante Kathi sei auch dafür.
    Als man sie an der Tür auf die Wange küssen will, weicht sie aus.
    – Richtig, das habe ich ja ganz vergessen!, ruft sie. Nächste Woche haben wir einen Termin mit der Kosmetikerin!
    –
Wir
haben
was
?
    – Dir werden nächsten Mittwoch deine Mitesser entfernt. Kann sein, dass sie auch etwas gegen die Pickel machen kann. Jedenfalls gehst du hin. Du siehst schrecklich aus mit dem Eiter am Kinn und auf der Nase und ich weiß nicht wo. Fräulein Alexandra ist eine tüchtige Person.
     
    Wenn man zornig ist, ohne über ein Ventil zu verfügen, sollte man sich mit dem Taxi ins Jack Point bringen lassen, um sich etwas zu gönnen.
    In der Spielhalle ist einem die Reisetasche mit der Wäsche im Weg. Man bittet den Mann an der Kasse, darauf zu achten. Er nickt, ohne aufzublicken, und trägt etwas in sein Kreuzworträtsel ein.
    Wenn man frustriert ist, gelingen Unwichtigkeiten besser als sonst. Flippern geht besonders gut von der Hand, am

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