Wie man leben soll: Roman (German Edition)
achtzig wohl nicht mit dieser Person auf einer Parkbank sitzen und Tauben füttern. Jedenfalls erhält man ein schlüssiges Ergebnis. So schwört die Gräfin von Dannewitz.
Wenn man der schlafenden Laura in den Nacken schnuppert, erhält man ein Ergebnis, das bloß einen Schluss zulässt: Die Gräfin von Dannewitz hat einen Hirnschaden. Denn noch nie hat jemand so geliebt, wie man Laura liebt. Und man hat vor, sie immer zu lieben. Und es hat nicht das Geringste zu sagen, dass Lauras Nacken nach sauer gewordener Rindsuppe riecht.
Wenn man mit einer Schlagzeugerin zusammen ist, malt man sich in seinen Tagträumen aus, wie man mit ihr eine Band gründet.
Während man zu Hause auf dem Bett liegt und
Dancing Queen
anhört, sieht man sich auf der Bühne. Man ist der Sänger. Tausende Hände klatschen und winken einem zu. Obwohl man der unbestrittene Star ist, zeigt man nach einem Schlagzeugsolo auf Laura und applaudiert. Groupies springen auf die Bühne und stecken einem Zettel mit ihrer Telefonnummer zu. Eine treibt es besonders arg. Sie weint und sagt, wenn man sie nicht erhöre, müsse sie sterben. Man sagt ihr: Es tut mir leid. Ich verstehe dich. Aber ich stehe treu zu Laura. Sie weint, wird von Roadies von der Bühne gezogen. Und so weiter.
Wenn man nach zehnmal
Dancing Queen
genug hat, weiß man wieder, wie absurd diese Vorstellungen sind. Nie würde man wagen, Laura zu fragen, ob man einmal singen dürfe. Doch berühmt zu sein ist ein reizvoller Gedanke. Es würde schon genügen, wäre Laura berühmt, ohne Band und eigene Teilnahme. Generell wünscht sich jeder Mensch, dass sein Partner der Größte ist. Und generell unternimmt jeder Mensch ohne böse Absicht alles, um genau diese herrliche Entwicklung zu unterbinden (Aus:
Der Weg zu sich selbst
).
Eine neue Beziehung bedeutet neue Freunde, neue Erkenntnisse, neue Gewohnheiten, neue Herausforderungen.
Man wird Lauras bester Freundin Rosemarie vorgestellt, dieeine fünf Monate alte Tochter hat und seit einem Schamanenseminar der Überzeugung ist, Jörg Haider sei die Reinkarnation von Kemal Atatürk. Wenn man mit ihr redet, schaut sie einem nicht in die Augen. Dafür bohrt sie, wenn sie sich unbeobachtet fühlt, in der Nase, worauf sie mit dem Zutagegeförderten etwas tut, was man nicht wahrhaben will.
Man wird mit Laura von Arnold und Heike eingeladen. Sie sind die standhaftesten Kiffer der Stadt und dabei auf sonderbar konservative Weise dokumentierfreudig. Alle Einzelheiten ihrer Räusche werden auf schmierigen Zetteln festgehalten. Dauer, Intensität, Erlebtes. Woher der Rausch »gekommen« sei, ob von unten, von hinten, von der Seite, von oben. Man hat keine Ahnung, was das bedeuten soll, doch man wird angehalten, mit ihnen zu rauchen und seine Eindrücke zu Protokoll zu geben.
Sie haben eine Katze, die von den Dämpfen und der bei diesen Anlässen gespielten Musik wahnsinnig geworden ist und ein seltsames Verhalten an den Tag legt. Von Hygiene halten sie nicht viel. Ihrer Ansicht nach ist tägliches Duschen eine von der Gesellschaft dem Einzelnen abgepresste Zwangshandlung.
Bei diesen beiden kommt man mit Sophie zusammen, die sich als Haustier eine weiße Maus hält, stolz auf ihren Nasenring ist und bald ihren ägyptischen Freund Nasser heiraten will, um mit ihm in seine Heimat zu ziehen. Von ihr wird man ins Tanztheater
Special Butohs
verschleppt, in dem nur Beinamputierte auftreten. Man klatscht und sagt, es sei ganz wundervoll gewesen.
In einem Experimentalfilm von Marco, einem cineastischen Autodidakten, muss man Komparse spielen. Man steht dabei in der Mitte einer Straßenkreuzung, trägt einen Lendenschurz und muss immer wieder denselben Satz wiederholen: »Von Paris sind sie damals ausgezogen, und heute kräht kein Hahn mehr nach ihnen.« Dafür wird man im Abspann namentlich erwähnt.Am Anfang einer Beziehung darf einem der Partner jeden Blödsinn auftischen, zu allem sagt man Ja und Amen. Alles ist nett und toll, auch die Freunde des Partners, so zänkisch und gewöhnungsbedürftig sie sein mögen.
Leider mag keiner von Lauras Freunden Karl May, und Übergewicht halten sie für einen Charakterfehler.
Wenn man sich näher mit Lauras Freunden beschäftigt hat, stellt man fest, dass Marco der Sympathischste von ihnen ist. Er steckt einen mit seiner Begeisterung für
Twin Peaks
an, eine Fernsehserie, in der die Darsteller so schön sind, dass man auf schmerzhafte Weise an Paoletta erinnert wird. Es wird der Vorschlag gemacht, von nun
Weitere Kostenlose Bücher