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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Tischfußballgerät schießt man alle Serben weg, die Fußball-WM gewinnt man 6:1.   Und der Fünferautomat schluckt Münze um Münze. Dazu passt, dass ein alter, ungepflegter Kerl, der oft hier ist, ohne jemals zu spielen, und nur Wein trinkt, an der Theke auf die Idee kommt, einen anzustänkern. Zum Überfluss riecht er aus dem Mund.
    Man ersucht, in Ruhe gelassen zu werden.
    Er besteht darauf, es handele sich um seinen Platz.
    Weil es kein guter Tag ist, ein schlechter nach einer Reihe von guten mit Laura, beharrt man darauf, der Alte möge sich zum Teufel scheren.
    – Wer bist du, Fettsack, fragt er, bist du ein Pfarrer?
    Wenn man in die Lage kommt, mit einem so aus der Bahn Geworfenen auf Du und Du zu streiten, kann man selbst schon nicht mehr ganz auf der Spur liegen. Für einen Augenblick ist einem klar, dass man abrutscht. In der Welt, in der Gesellschaft, in dem Leben, das man gewählt hat. Das kaum mehrÄhnlichkeiten aufweist mit dem, was man einst erhofft und erahnt hat.
    Man steht auf. Man kocht. Der alte Mann ist der Feind.
    Er ist wütend. Es sieht so aus, als wolle er spucken. Aber man ist noch wütender.
     
    Merke: Wenn zwei Menschen kämpfen, geht es immer darum, wer von ihnen wütender ist. Der wird gewinnen, dessen Wut größer ist.
     
    Man macht einen Schritt nach vorn. Der alte Mann weicht nicht zurück. In dem Moment, als man ausholt, fühlt man zugleich Zorn und tiefe Befriedigung darüber, dass man endlich zuschlägt.
    Wenn man sich auf eine Schlägerei einlässt, sollte man über ein gewisses Grundverständnis darüber verfügen, wie eine solche gehandhabt wird. Einmal ins Gesicht schlagen, ein Knall, und der andere fliegt meterweit weg – das gibt es nur im Film. Wenn man nicht weiß, wie man eine Gerade auf das Kinn des Gegners setzt, haut man nicht bloß daneben. Man macht sich erstens lächerlich. Und wird zweitens von einem ohnehin schwächlichen Schwinger des alten Mannes erwischt. Es bleibt gerade Zeit, dem Kontrahenten einen Tritt gegen das Bein zu verpassen. Schon sind Angestellte des Lokals herbeigeeilt, um die Gegner zu trennen.
    – Der bekiffte Pfarrer und der alte Boris, hört man sie raunen. Hätte keiner gedacht   …
    Wenn man der bekiffte Pfarrer ist und mit dem alten Boris raufen wollte, fühlt man sich so erniedrigt, dass man seine Wäschetasche im Jack Point vergisst.

 
    Lässt man Fräulein Alexandra an sein Gesicht, oder will man Mutters Groll erregen? Solche Termine sind schwer zu bekommen und kosten viel. Man kann sich vorstellen, was sie sagen wird, wenn man im Kosmetikstudio anruft und die Behandlung storniert.
    Außerdem will man für Laura schön sein. Das gibt den Ausschlag. Also trifft man sich doch mit Mutter im Kosmetikstudio. Man wird der Chefin und allen Angestellten vorgestellt. Mutter ist stolz, dass sie sich mit der Chefin duzt, so wie es ihr schmeichelt, wenn sie zu Gastwirten oder Putzereibesitzern Du sagt. Mit der Chefin spricht sie über das Studium, das man betreibt, und den Erfolg, den man hat. Man steht daneben und schielt auf die Beine, die ein paar Meter entfernt aus einem Minirock ragen.
     
    Merke: Wenn man sich unter den spitzen Fingern Fräulein Alexandras windet, erkennt man, wie sehr Frauen für ihre Schönheit leiden müssen.
     
    – Sie sollten sich etwas für Ihr Gesicht überlegen, sagt das Fräulein nach der Behandlung, während man sich die Tränen abwischt.
    – Das habe ich mir auch schon oft gedacht, antwortet man.
    – Ich denke an eine Grundbehandlung. Gesichtswasser, Feuchtigkeitscreme   …
    – Ja? Meinen Sie?
    Weil man schwer nein sagen kann, sieht man nickend zu, wie Fräulein Alexandra unbezahlbare Kosmetika in eine Tüte hebt. Dabei fällt einem auf, dass sie hübsch ist. Ihr Lächeln allerdings ist ein geschäftsmäßiges.
    – Wie möchten Sie? Bar oder mit Karte?
    Wenn man zweiundzwanzig ist und warten muss, bis Mutters Behandlung beendet ist und sie kommt, um die Rechnung zu begleichen, verzichtet man lieber aufs Flirten.
     
    Wie ein Mensch lebt, sagt viel über ihn aus, und nicht jeder, der in einem tonnenähnlichen Domizil haust, ist gleich ein Philosoph. Weil Männern außer in Stripteaselokalen der Blick fürs Detail abgeht, sind die Wohnungen von Frauen im Vergleich die schöneren. Wenn man zum ersten Mal von der Geliebten in ihre Wohnung mitgenommen wird, ist man daher gespannt, ob sie Geschmack hat.
    Da man sich selbst seit Jahren mit einer Matratze, einem löchrigen Schrank und einem nicht sehr

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