Wie man leben soll: Roman (German Edition)
standfesten Tischchen behilft, ist man bei Laura sehr beeindruckt, dort Möbel vorzufinden, die diese Bezeichnung verdienen. Lauras Wohnung ist zwar dunkel und ein wenig feucht, aber dafür so gepflegt, wie man es lange nicht gesehen hat. Sogar Zimmerpflanzen gibt es. Spontan beschließt man, ebenfalls Zimmerpflanzen zu brauchen. Eine Wohnung ohne Grünzeug sieht unlebendig aus.
Die größte Überraschung bereitet einem ein Schlagzeug, das im Wohnzimmer aufgebaut ist. Man erfährt, dass Laura seit sieben Jahren Schlagzeug spielt.
Wenn man hundertzwanzig Kilo wiegt und der bekiffte Pfarrer ist, erlebt man einen Zustand vollkommener Begeisterung, als man entdeckt, mit einer Frau zusammenzusein, die in einer schmucken Wohnung lebt, trommeln kann und drei Jahre älter ist als man selbst.
Besonders Letzteres ist dem eigenen Image zuträglich. Ein Mann, für den sich ältere Frauen interessieren, muss reif und somit interessanter sein als seine gleichaltrigen Geschlechtsgenossen.
Laura kocht. Es ist der erste gemeinsame Abend, an dem gelebt und nicht bloß erlebt wird. Während sie in der Küche hantiert, stöbert man in ihrer Plattensammlung. Vieles kennt man. Einiges mag man. Von manchem hat man nie gehört. Klassik ist dabei.
– Charlie, würdest du
bitte
zu singen aufhören?, ruft Laura aus der Küche.
– Entschuldigung, ruft man zurück.
– Du darfst gern Musik machen, ruft sie.
Sie kann nicht sehen, dass man bei den Platten steht. Demnach handelt es sich um eine Koinzidenz, die einen tiefen Hintergrund haben muss. Sie bedeutet, dass man sich blind versteht.
Merke: Wenn man verliebt ist, sieht man überall Zeichen.
Ehe sie serviert, bittet sie, etwas anderes als den Dreck auflegen zu dürfen, den irgendein Spinner bei ihr vergessen und den man ausgesucht hat.
Nur zu, man nickt.
Sie wählt eine Oper. Man weiß nicht, worum es sich genau handelt. Aber es ist eindeutig eine Oper. Die Klänge, die in den Raum fluten, sind schauderhaft. Man ist jedoch nicht gewillt, diese Diskrepanz im Musikgeschmack als Zeichen anzuerkennen.
Wenn das erste Essen, das der neue Partner einem kocht, grauenhaft schmeckt, bringt man es trotzdem so weit, dass es einem nach dem fünften oder sechsten Bissen mundet.
Laura fragt, ob man Salz braucht oder mehr geröstete Zwiebel will. Lang und breit erklärt sie die Zubereitung des Gerichts und referiert über eingetretene Komplikationen. Dazu schmettert eine kristallene Frauenstimme eine Arie.
Mitten im Gespräch kapiert man, dass Laura Vegetarierin ist.
Und kurz darauf kapiert man, dass sie das auch bei ihrem neuen Freund voraussetzt.
Wenn man eine Beziehung eingeht, hat man vielerlei Träume und Hoffnungen. Manche sind ernster, manche heiterer, manche haben mit Beruf und Erfolg zu tun, etwa wenn man einen einflussreichen Menschen kennengelernt hat, manche drehen sich um Kinder und privates Glück. Die meisten werden irgendwann enttäuscht. Doch am Anfang ist jede Liebe stark, besonders eine so große wie mit Laura, und selbst das niederschmetternde Erlebnis von Milchreis und Kräuterbohnen kann nichts daran ändern, dass Lauras Augen tief und braun und wunderbar sind. Ihr Haar spricht, ihre Hände sind der Trost der Welt.
Nach der zuckersüßen Nachspeise geht man ins Schlafzimmer, und da sind Lauras Hände nicht mehr der Trost der Welt, sondern elementarster Teil der Vorbereitung auf den wirklichen Trost der Welt.
Wenn man mit der Frau, die man liebt, zum erstenmal in ihrem Bett war, ist alles toll. Das Bett ist toll. Die Aussicht vom Bett ist toll. Die Farbe des Parkettbodens ist toll, die Bilder an der Wand sind toll, die Vorhänge sind toll, das Bücherregal ist toll, der Geruch ist toll, sogar die geisteskranke Musik aus dem Wohnzimmer ist toll. Man stellt sich nicht die Frage, ob das Bett weich ist. Das sind unwesentliche Kategorien.
Merke: Wenn man liebt, verliert man den Überblick.
Wenn man mit der neuen Freundin im Bett liegt, sollte man sich an den berühmten Test einer deutschen Gräfin erinnern, überden man bei Tante Ernestine in einer
Frau im Spiegel
gelesen hat.
Mit diesem Test kann man feststellen, ob man die Richtige oder den Richtigen gefunden hat. Man braucht nur den Nacken des Partners zu beschnuppern. Dort riecht er nach sich selbst, behauptet die Gräfin, und: Empfindet man diesen Geruch als angenehm, wird man mit dem oder der Erwählten bestens harmonieren. Ist er neutral oder gar weniger angenehm, wird man mit
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