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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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hast du denn den her?, fragt Walter.
    – Hat Boban ein Problem mit Frauen?, raunt einem Sophie zu.
    – Wenn du nicht bald etwas tust, nehme ich mir den Stinker vor, sagt Inge. Und deine Freundin auch. Hast du übrigens seine Hände gesehen? Der braucht in der Nacht keine Decke.
    – Hou! Hou! Hou! Houhou!, sagt der Fernfahrer aus der Oststeiermark und fuchtelt mit den Armen.
    Wenn man von seiner Freundin öffentlich gedemütigt wird und einem zum Draufgänger siebenundneunzig Prozent fehlen, weiß man kein Mittel, sich zu wehren. Außerdem lässt man das mit dem Draufgänger lieber, da bekommt man nur Ohrfeigen. Und indem man aufbegehrt oder seine Eifersucht offen zeigt, macht man sich lächerlich. Das wäre das Allerschlimmste. Unvermittelt fällt einem Tante Ernestine ein. Man muss sich zurückhalten, nicht in Tränen auszubrechen.
     
    Merke: Wenn einem Schlimmes angetan wird, fragt man sich, ob geliebte Verstorbene vom Himmel herabsehen und dem Bösewicht zürnen.
     
    Der Orangenbraten verbreitet einen süß-sauren Duft. Man springt zum Herd, zieht das Blech heraus und schaufelt Portionen auf Teller. Laura bekommt ihren Auflauf. Sie teilt mit Sophie. Boban und Laura finden nicht mehr zueinander. Alles ist verwirrend, und man fragt sich, ob man eine Inszenierung erlebt hat, die nur das Ziel hatte, einen aus der Reserve zu locken. Es wird über Film diskutiert, bis
Talk Radio
anfängt.
    Sophie kommt durch. Sie erzählt von ihrer Liebe zu Nasser. Mit schwerer Zunge beschwert sie sich über Boban, der ihr prophezeit habe, ihr Nasser würde sich »da unten« in einen Fundamentalisten verwandeln.
    – So ein Idiot, sagt Dieter Moor.

 
    Da man kein Meister darin ist, Beziehungsfragen zu klären und unangenehme Gespräche zu führen, zögert man eine Aussprache mit Laura hinaus. Man hat Angst vor den Antworten, die man bekommen könnte. Und da sie sich in den darauffolgenden Tagen sanfter als sonst gibt und das Thema nicht anschneidet, ist man geneigt, den Zwischenfall als einmaliges, durch Alkoholmissbrauch bedingtes Missgeschick anzusehen, das sie selber längst bereut.
    Bei dröhnender Musik auf dem Bett liegend, stellt man sich vor, wie man mit Boban verfährt. Auf offener Straße verprügelt man ihn mit zwei, drei eleganten Hieben, das reicht schon, zappelnd liegt er in der Wiese, in die die Hunde scheißen. Ringsherum stehen Paoletta und andere Leute und tuscheln. Laura beißt sich auf die Lippen. Als sie sieht, wie man von anderen Frauen umlagert wird, läuft sie herbei. Man kommt in die Zeitung, weil aufgedeckt wird, Boban sei ein gesuchter Verbrecher. Das Fernsehen ruft an   …
     
    Nachdem man zur Wiederherstellung seines Selbstwertgefühls zusammen mit Walter den Vietkong niedergemacht hat, begleitet man Mirko lächelnd zur Taxilenkerprüfung. Er will einen zwingen? Er wird staunen. Er glaubt, er könne aus einem einen Taxifahrer machen? Er wird sehen, was er bekommt.
    In der Handelskammer, die für die Konzessionen zuständig ist, werden die Kandidaten schon vor der Prüfung von umhereilenden Taxiunternehmern geködert. Es gibt zu wenige Lenker inder Stadt, und man wird von nicht sehr einnehmenden Gestalten angesprochen. Einige riechen nach Schnaps, anderen kleben Essensreste im Bart.
    Der Prüfer ruft mehrere Nachnamen auf, Mirkos ist darunter, der eigene nicht. Man wünscht dem Freund viel Glück. Zwanzig Minuten später kommt er mit gerecktem Daumen heraus. Hinter ihm verliest der Prüfer die Namen der nächsten Kandidaten. Kolostrum ist der Einzige, den er aussprechen kann.
    Im Prüfungszimmer kommt man neben drei Afrikanern zu sitzen, die sich ihre großen schwarzen Hände reiben, freundlich nicken und kaum Deutsch können. Der Prüfer, ein schnauzbärtiger Mann mit einer Eulenbrille und leerem Blick, stellt sich als Diplomingenieur Hawelka vor. Langsam und laut, als rede er zu Schwerhörigen, sagt er:
    – Da Sie alle eine Lenkerberechtigung besitzen, erspare ich Ihnen die technischen Fragen. Ich werde nur prüfen, ob Sie die Straßen kennen. Haben Sie mich verstanden?
    Die Schwarzen nicken. Man sagt ja. Der Prüfer fragt den ersten Afrikaner nach einer Straße. Der gibt Antwort, sofort und korrekt. So auch der zweite. Man ist als dritter an der Reihe.
    – Wo ist der Heigerthplatz?
    – Bedaure, keine Ahnung.
    Er runzelt die Stirn, fragt den vierten Afrikaner. Der kennt den Heigerthplatz. Man selbst kennt ihn natürlich auch, wohnt man doch ganz in der Nähe. Aber das ist die Rache an Mirko: Man

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