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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ist klar, daß er frühestens dann verrückt wird, wenn es nichts mehr nützt.
    In Italien stockt die Forschung freilich auch deshalb, weil die Bürokratie uns zwingt, viel Zeit mit der Lösung lächerlicher Probleme zu vertun. Ich bin Direktor eines Universitätsinstituts und mußte als solcher vor ein paar Jahren, wie alle meine Kollegen, ein sehr detailliertes Inventar der beweglichen Güter des Instituts erstellen. Die einzige Angestellte, die mir zur Verfügung stand, hatte tausend andere Dinge zu tun. Man konnte eine Privatfirma mit der Inventur beauftragen, die dafür 300000 Lire verlangte. Das Geld war vorhanden, aber nur in
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    einem Fonds für »inventarisierbares Material«. Wie kann man eine Inventur für inventarisierbar erklären?
    Ich mußte eine Kommission von Logikern einberufen, die ihre Forschungen für drei Tage unterbrachen. Sie befanden, daß in der Frage etwas Ähnliches vorliege wie im Paradox der
    Gesamtmenge der Normalmengen. Dann beschlossen sie, daß der Akt des Inventarisierens, da ein Ereignis, kein
    inventarisierbarer Gegenstand sei, aber zwangsläufig der Erstellung von Inventaren vorausgehe, welche ihrerseits, da Objekte, inventarisierbar seien. Die private Firma wurde gebeten, uns nicht den Akt des Inventarisierens in Rechnung zu stellen, sondern dessen Ergebnis, und so machten wir Inventur.
    Ich hatte seriöse Gelehrte mehrere Tage lang von wichtigen Aufgaben abgehalten, aber ich hatte eine Gefängnisstrafe wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder vermieden.
    Einige Monate später kam der Pedell und eröffnete mir, es fehle an Klopapier. Ich sagte ihm, er solle welches kaufen. Die Institutssekretärin wies mich darauf hin, daß wir nur noch Gelder für inventarisierbares Material hätten, und gab zu bedenken, daß neues Klopapier zwar inventarisiert werden könne, aber daß Klopapier aus Gründen, die ich nicht weiter vertiefen will, zum Zerfall tendiere, und wenn es einmal zerfallen sei, verschwinde es aus dem Inventar. Ich berief also eine Kommission von Biologen ein, um zu erfahren, wie man gebrauchtes Klopapier inventarisieren könne. Theoretisch sei das schon möglich, wurde mir als Antwort zuteil, aber die menschlichen Kosten seien sehr hoch.
    Ich berief eine Kommission von Juristen ein, die mir schließlich die Lösung lieferte, nach der ich seither verfahre: Ich nehme das Klopapier in Empfang, inventarisiere es und lasse die Rollen aus wissenschaftlichen Gründen auf die Toiletten des Instituts verteilen. Wenn das Papier dann verschwindet, erstatte ich Anzeige wegen Diebstahls von inventarisiertem Material durch Unbekannte. Leider muß ich die Anzeige jeden zweiten Tag wiederholen, und ein Inspektor des staatlichen
    Sicherheitsdienstes hat bereits schwerwiegende Bedenken gegen die Leitung eines Instituts vorgebracht, in welches
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    Unbekannte so leicht und in so regelmäßigen Abständen
    infiltrieren können. Ich werde verdächtigt, aber ich habe mich gut abgesichert, mich kriegen sie nicht.
    Das Dumme ist nur: Um diese Lösung zu finden, habe ich
    illustre Wissenschaftler tagelang von gemeinnützigen
    Forschungen abhalten müssen, habe öffentliche Gelder in Form von Zeit des lehrenden und nicht lehrenden Personals, von Telefonaten und Portokosten vergeudet. Aber niemand wird der Veruntreuung von Staatsgeldern bezichtigt, wenn alles nach dem Buchstaben des Gesetzes verläuft.
    (1986)
    Wie man sich das Leben durch Maschinchen
    erleichtert
    Die Maschine fliegt majestätisch über immense Ebenen,
    makellose Wüsten. Dieser amerikanische Kontinent hat noch Momente fast taktiler Berührung mit der Natur zu bieten. Ich bin im Begriff, die Zivilisation zu vergessen, doch wie es der Zufall will, findet sich in der Tasche vor meinem Sitz, zwischen den Instruktionen für die rasche Evakuierung des Flugzeugs (im Unglücksfalle) und der Tüte für die rasche Evakuierung meines Magens (im Falle der Übelkeit), neben dem Programm des
    Films und der „Brandenburgischen Konzerte“ im Kopfhörer, ein Exemplar der „Discoveries“, eine Hochglanzbroschüre, die mit einladenden Fotos eine Reihe postalisch bestellbarer
    Gegenstände anpreist. In den nächsten Tagen werde ich
    ähnliche Publikationen entdecken, Druckschriften wie „The American Traveller“, „Gifts With Personality“ und dergleichen mehr.
    Eine faszinierende Lektüre, ich versinke darin und vergesse die Natur, die so eintönig ist, weil sie, wie es scheint, non facit saltus (was ich auch von meinem Flugzeug

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