Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt - Rick ; Bd.1
»Dann hättest du uns vielleicht mal von deiner Regeländerung in Kenntnis setzen sollen.«
Pa schnaufte ärgerlich. »Du warst noch nicht zu Hause. Sollte ich die halbe Nacht aufbleiben, um dir zu sagen, dass Linda bei uns übernachtet?«
Wutz nickte. »Warum nicht. Aber ein kleiner Zettel an meiner Tür hätte es auch getan. ›Hey, Wutz, heute Nacht schläft meine Süße in der WG!‹, hätte vollkommen ausgereicht.«
»Süße?« Pa schnappte empört nach Luft. »Linda ist nicht meine
Süße
. Du schleppst ständig
Süße
an. Die kannst du ja wohl nicht mit Linda vergleichen.«
Wutz lachte überheblich. »Aha,
meine
Freundinnen kann man also nicht mit
deiner
Freundin vergleichen, weil meine Süße sind und deine nicht. Alles klar, Kumpel. Ich glaub, du hast zu wenig geschlafen.«
Ich sah, wie Pa die Hände zu Fäusten ballte, und plötzlich wurde mir ganz mulmig zumute.
»Du drehst mir das Wort im Mund um!«, schrie er Wutz an. »Ich wollte damit nur sagen, dass Linda nicht meineSüße ist. Sie ist …« Er stockte und sah hektisch zwischen Wutz und mir hin und her.
»Na spucks schon aus«, sagte Wutz spöttisch.
Pa bekam rote Flecken und bei mir fing es überall zu kribbeln an.
»Sie ist die Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte«, sagte er mit ruhiger Stimme und blickte mir dabei fest in die Augen.
KAWUUUMS! Das hatte gesessen. Alter Schwede, heute bekam ich echt nur die schweren Geschütze ab.
Ich wandte mich um und rannte in mein Zimmer. Dort lief ich unruhig auf und ab. Wie ein Tiger, der zu viel Zeit in einem engen Käfig verbracht hat.
Vor meiner Zimmertür hörte ich Pa und Wutz weiter streiten. Keine Ahnung, wie lange. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Irgendwann war Ruhe. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Dann klopfte es an meiner Zimmertür und gleich darauf steckte Wutz den Kopf herein.
»Darf ich?«, fragte er und lächelte unsicher.
Ich nickte.
Er setzte sich auf mein Bett und seufzte leise.
»Ziehst du jetzt aus?«, flüsterte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte.
Wutz schaute mich einen Moment nachdenklich an, bevor er langsam den Kopf schüttelte. »Quatsch. Das geht doch gar nicht. Die Wohnung gehört ja mir.«
Ich zuckte erschrocken zusammen. »Müssen Pa und ich etwa ausziehen?«
Jetzt lachte Wutz. »Ach was, Unsinn. Niemand muss ausziehen. Zu einer guten Freundschaft gehört hin und wieder auch ein ordentlicher Streit. Blöd nur, dass du es mitbekommen hast. Das wollte ich nicht und dein Vater bestimmt auch nicht.«
Puh, zum Glück. Ich atmete erleichtert durch.
»Früher, als dein Pa und ich etwa so alt waren wie du jetzt, da haben wir uns manchmal so gekloppt, bis einer von uns blutete. Manchmal auch beide.«
»Echt?«, staunte ich.
Davon hatte mir Pa kein Wort erzählt. Der predigte mir immer nur, dass man Streit friedlich schlichten soll. Niemals mit Gewalt. Na prima, dabei hat er sich selbst herumgeprügelt, bis das Blut nur so spritzte.
»Dein Vater hat mir sogar mal einen Zahn ausgeschlagen«, erzählte Wutz weiter.
»Wahnsinn«, krächzte ich.
Wutz grinste. »War aber nur ein Milchzahn. Und der hat sowieso schon gewackelt. Aber Philipp hat nachher vor der ganzen Klasse damit angegeben.«
»Und, hast du dich gerächt?«, wollte ich wissen.
Wutz grinste noch breiter. »Und wie. Ich hab ihm dafür heimlich einen dicken Regenwurm in sein Leberwurstbrot gesteckt.«
»Igitt«, ekelte ich mich.
Wutz kringelte sich vor Lachen. »Das waren noch Zeiten«, freute er sich. Doch dann wurde er plötzlich ernst. »Im Moment läuft es nicht so gut für dich, was? Dein Paund Linda und nun auch noch der blöde Streit zwischen ihm und mir.«
Ich nickte. »Und gerade jetzt ist Chrissy weg.«
»Hast du immer noch nichts von ihm gehört?«
Ich schüttelte den Kopf. »Kein Sterbenswörtchen.«
Wutz klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
»Er wird sich sicher bald bei dir melden. Und hier kommt auch wieder alles in Ordnung. Ganz bestimmt.«
Ich nickte erneut. Aber wirklich daran glauben konnte ich nicht.
»Kiryuho ist eine japanische Sportart, bei der man sich eigenartig bewegt und dabei ziemlich blöd aussieht«, sagte Wutz.
Mary schüttelte den Kopf und zeigte Wutz einen Vogel. »Quatsch. Ich habe auch schon mal an so einem Kurs in der Volkshochschule teilgenommen. Das war wunderbar entspannend.«
Mary begann, schnaufend ein- und auszuatmen. Ihre Arme ruderten durch die Luft und sie
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