Wie man sie zum Schweigen bringt
Versprechungen. Als er gegangen war, packte ich Laptop und Modem ein, um zu Hause arbeiten zu können, wenn Iida schlief. Inzwischen hatte sich auch Wang im Sozialraum eingefunden. Iida wollte gar nicht mehr gehen, obwohl ihr die Augen fast zufielen. Bevor wir an die erste Ampel kamen, war sie bereits eingeschlafen, und ich merkte plötzlich, wie hungrig ich war. Mein Blutzucker war vermutlich auf Rekordtiefe gesunken, denn meine Hände zitterten so stark, dass ich kaum fahren konnte, doch der Hunger war ein gutes Zeichen: Mein Körper erholte sich allmählich von dem Schock.
Der Wagen der Spurensicherung stand neben dem zersplitterten Briefkasten. Die Männer fotografierten Reifenabdrücke und sammelten unter den Bäumen Zeitungsfetzen ein. Ich trug die im Schlaf vor sich hin murmelnde Iida ins Haus, zog ihr Schuhe und Mantel aus und legte sie ins Bett. Sie hatte rote Bäckchen und feuchte Haare, ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Am liebsten hätte ich mich in eine Festung verwandelt, die Iida vor allem Bösen schützte.
Ich aß ein paar belegte Brote und trank ein Glas Buttermilch. Die Polizisten im Garten vermittelten ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Den perfekten Schutz für Iida und mich gab es nicht.
Ich stöpselte den Computer ein, schloss das Modem an und begann zu arbeiten. Unbewusst lauschte ich auf die weichen Schritte unserer Katze, glaubte sogar einmal fast, sie vorbeihuschen zu sehen, doch es war natürlich nur ein Phantombild, das mir mein Gehirn vorgaukelte. Als das Telefon klingelte, nahm ich sofort ab. Jukka Muukkonen erkundigte sich nach meiner E-Mail-Adresse.
»Du willst sicher wissen, was Salo zu sagen hatte. Ich schick dir das Protokoll, sobald ich im Büro bin . «
»Danke! «, rief ich und verschwieg ihm, dass Taskinen die Ermittlung selbst in der Hand behalten wollte. »Hat Salo zugegeben, dass er hinter dem Anschlag steckt? «
»Er hat es weder zugegeben noch abgestritten. Lies das Protokoll! Wir machen inzwischen weiter. Pass auf dich auf«, sagte Muukkonen. Im Hintergrund hörte man Tangomusik, offenbar hatte sein Partner gerade das Autoradio angestellt.
Ich ging ins Erdgeschoss und kochte Kaffee. Im Gefrierschrank fand ich eine Packung Hefeteilchen, die ich mit Iida an einem Regentag gebacken hatte. Sie machte am liebsten Lachkuchen, runde Hefebrötchen mit Augen und lachendem Mund aus Rosinen. Ich mochte keine gebackenen Rosinen, aber was meine Tochter backte, aß ich natürlich. Ich taute das Gebäck auf, holte Kekse aus dem Schrank und lud die Männer von der Spurensicherung zum Kaffee ein. Andersson, einer der Beamten, brachte unsere Post mit, die der verdatterte Briefträger ihm ausgehändigt hatte, als er sah, dass von unserem Briefkasten nur noch der Betonsockel übrig war. Viel war es nicht. Die Zeitung der Grünen für Antti, die Rechnung für die Kinderbetreuung für mich und für Iida eine Ansichtskarte aus Tartu von ihren Großeltern.
»Es war eine ganz simple Konstruktion, die hätte sogar ein Kind zusammenbauen können«, berichtete der Bombenexperte. »Die Katze hat nicht die volle Ladung abgekriegt, weil sie so klein ist, aber für einen Erwachsenen wäre die Bombe gefährlich gewesen. Er wäre nicht unbedingt ums Leben gekommen, aber das Augenlicht hätte er mit Sicherheit verloren . «
Andersson machte ein wütendes Gesicht und schlug seine Zähne in ein Hefeteilchen. Plötzlich kam mir ein absurder Gedanke: Wenn wir uns eine Alarmanlage zulegen würden, wäre das ein Vorwand, mich mit Reijo Rahnasto in Verbindung zu setzen. Seine Firma war zwar auf Unternehmenssicherheit spezialisiert, aber unter Hinweis auf unsere Bekanntschaft könnte ich ihn um Rat bitten. Oder wäre das zu durchsichtig? Sollten wir uns lieber eine neue Wohnung suchen und die Adresse geheim halten?
Iida kam verschlafen die Treppe herunter und fremdelte eine Weile. Nachdem sie Kuchen und ein Glas Milch bekommen hatte, taute sie auf und bezauberte die Männer mit ihrem Geplauder so gründlich, dass sie ihre Arbeit vergaßen. Als sie endlich gingen, setzte ich Iida vor den Fernseher, ließ ein Mumin-Video laufen und sah nach, ob E-Mails gekommen waren. Muukkonen hatte sein Versprechen gehalten und das Vernehmungsprotokoll geschickt.
Sein Partner Hakala war ein guter Protokollant, ich konnte beim Lesen beinahe Salos Stimme hören. Niko Salo war um die dreißig, nicht besonders groß, aber kräftig. Er hatte ausdruckslose Augen, deren Farbe an grauen Aprilschnee erinnerte,
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