Wie man sie zum Schweigen bringt
geschnittenem Rock und enger Bluse hielt ein kahlköpfiges Baby im Arm, das weinte, während ein gequält dreinblickender Pfarrer Wasser auf seinen Kopf träufelte. Auf der nächsten Seite waren noch zwei Fotos vom selben Baby, dann kamen ein paar Klassenfotos aus der Grundschule, auf denen ich den kleinen Jani Väinölä erst nach langem Suchen entdeckte. Das letzte Foto zeigte ihn in der siebten Klasse. Die restlichen Seiten waren leer.
Kettunen und Jeri hatten ihre Arbeit im Bad beendet und nahmen sich die anderen Räume vor, in denen Jeri nicht mehr reagierte. Kettunen sagte, er müsse den Hund für eine Weile in den Wagen bringen, damit sich sein Geruchssinn regenerieren könne. Ich trat ans Fenster und sah einige Männer vor dem Einkaufszentrum, die eine Bierflasche kreisen ließen. Da keiner von ihnen betrunken oder minderjährig wirkte, hatten wir keine Handhabe, einzugreifen. In einigen Stunden würden die Burschen allerdings so blau sein, dass man sie in die Ausnüchterungszelle schaffen musste.
Motorradkleidung fanden wir nicht. Obwohl wir Väinölä aufgrund der Drogenfunde noch eine ganze Weile in Haft behalten konnten, war ich vom Ergebnis der Durchsuchung enttäuscht. Natürlich war es interessant, dass er Ilveskivis Aktivitäten verfolgt hatte, doch Zeitungsausschnitte machten ihn noch nicht zum Mörder. Im Schrank fand sich eine halb leere Schnapsflasche, möglicherweise genau die Flasche, die er seiner Aussage nach zur Tatzeit gekauft hatte. Kassenbons hatten wir weder im Mülleimer noch in der Plastiktüte des Alkoholgeschäfts gefunden, die im Spülschrank lag.
In Väinöläs Wohnung herrschte eine Atmosphäre von Armut, Gleichgültigkeit und Einsamkeit. Ich warf noch einen Blick ins Bad, das Kettunen wüst zugerichtet hatte. Ich bin keine Sauberkeitsfanatikerin, doch die verschimmelten Kachelränder und die dicke Schmutzschicht in der Kloschüssel ekelten mich an. Eine Zahnbürste besaß Väinölä immerhin, doch sie war schon reichlich verschlissen. Eine Waschmaschine war nirgends zu sehen, vielleicht gab es im Haus eine Waschküche.
Väinölä hatte eine Kachel abgenommen und dahinter ein etwa zehn Zentimeter breites und zwanzig Zentimeter tiefes Loch ausgehöhlt. Die schlampige Arbeit bewies, dass er kein routinierter Dealer war. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, den Stoff zu vernichten, obwohl ihm klar gewesen sein musste, dass wir seine Wohnung durchsuchen würden. Vielleicht fürchtete er seinen Boss noch mehr als die Polizei.
Wir waren nicht verpflichtet aufzuräumen, aber Anu schob die Plakate mit dem Fuß beiseite und schaffte es, mit der Schuhsohle am Klebeband des Hitlerplakats hängen zu bleiben, sodass es in der Mitte durchriss.
»Brauchst du Streichhölzer? «, fragte Puustjärvi trocken. Anu schüttelte nur den Kopf, ohne zu lächeln. Sie war die erste vietnamesische Absolventin der Polizeischule. Ihre Familie hatte in Finnland Asyl gefunden, als sie noch ein Kind war. Später hatte sie gegen den Willen ihrer Eltern einen finnischen Vornamen angenommen, was sie jedoch nicht vor dem alltäglichen Rassismus schützte, den nicht nur manche unserer Kunden, sondern auch einzelne Kollegen an den Tag legten. Sie war vor drei Jahren in unser Dezernat gekommen, als ich in Mutterschaftsurlaub ging.
Ich vereinbarte mit Kettunen, dass das Rauschgiftdezernat sich um die Verlängerung des Haftbefehls kümmerte. Wir würden Väinölä erst wieder vernehmen, wenn wir neue Erkenntnisse hatten, bis dahin waren die Drogenfahnder an der Reihe. Vielleicht war Väinölä ein indirekter Mörder. Heroingranulat war eine starke Substanz, die auch erfahrene User überraschen konnte. Im Lauf des Frühjahrs hatte ich vier Todesfälle im Drogenmilieu untersuchen müssen. Bei allen war eine Überdosis die Todesursache gewesen.
Auf dem Präsidium bat ich Wang und Koivu, der von der Obduktion zurückgekehrt war, in mein Zimmer. Koivu sah blass und angespannt aus und wirkte enttäuscht, als er hörte, dass die Haussuchung keine Ergebnisse für den Fall Ilveskivi erbracht hatte.
»War die Obduktion aufschlussreich? «, fragte ich bei einem Becher Kaffee, in den ich eine doppelte Portion Kaffeeweißer und drei Stück Zucker gerührt hatte.
»Sie hat einiges bestätigt. Ilveskivi war in bester Kondition. Außer einer Narbe am Ellbogen, die von dem Überfall vor drei Jahren zurückgeblieben ist, hatte er keine früheren Verletzungen. Er hat nicht geraucht und, nach dem Zustand seiner Leber zu
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