Wie man sie zum Schweigen bringt
nichts nachweisen können . «
Kettunen arbeitete seit fünfzehn Jahren im Rauschgiftdezernat. Er hasste Drogen und Dealer aus tiefstem Herzen, und alle wussten, warum: Sein älterer Bruder war Anfang der siebziger Jahre an einer Überdosis Heroin gestorben. Er selbst war damals vierzehn gewesen und hatte sich geschworen, Polizist zu werden und alle Drogendealer Finnlands hinter Gitter zu bringen. Auf dem letzten Betriebsfest hatte er mir anvertraut, es komme ihm bei der Arbeit neuerdings vor, als versuche er ein gebrochenes Bein mit einem Heftpflaster zu kurieren.
Gleich nachdem Kettunen gegangen war, rief Koivu an. Er war hörbar erleichtert, als ich ihm anbot, die erste Befragung von Eila Honkavuori zu übernehmen. Sie arbeitete in der Abteilung für Bau und Kommunaltechnik der Technischen Hochschule, wo ich sie beim ersten Versuch erreichte. Sie war bereit, um halb vier aufs Präsidium zu kommen; die Aufklärung des Mordes an Petri Ilveskivi sei wichtiger als ihre Arbeit. Das sahen nicht alle Leute so, mit denen wir zu tun hatten. Von Zeit zu Zeit mussten wir im Dezernat Fälle bearbeiten, in denen die Beteiligten Gewalt für ganz natürlich hielten. Im März hatte ich schwer kämpfen müssen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Eine zehnköpfige Bande von Jugendlichen hatte einen Somali zusammengeschlagen, der sie nach dem Weg gefragt hatte. Die jungen Burschen fühlten sich völlig im Recht, weil es sich bei ihrem Opfer um einen dunkelhäutigen Ausländer handelte. Nach Aussage ihrer Eltern und Lehrer waren die Jungen gute Schüler und hatten eine ganze Reihe anständiger Hobbys. Ebenso unerträglich waren die vielen Fälle häuslicher Gewalt in Immigrantenfamilien. In manchen Kulturen galt es als normal, dass Männer ihre Frauen oder Brüder ihre Schwestern verprügelten. Um nicht die Nerven zu verlieren, hätte ich lernen müssen, hart zu werden, doch das passte nicht zu mir.
Also hatte der Sandsack im Fitnessraum des Präsidiums einiges einstecken müssen. Puupponen behauptete, an meinen Fingerknöcheln könne man erkennen, ob gerade wieder ein besonders teuflischer Fall anlag.
Vor dem Treffen mit Eila Honkavuori erledigte ich einige laufende Angelegenheiten. Unter anderem erkundigte ich mich nach einem Spielfeld für unsere Frauenelf. Ich freute mich schon darauf, wieder über den Platz zu laufen und zu grätschen.
Als ich Eila Honkavuori im Vestibül abholte, stellte ich bewundernd fest, wie unbefangen sie zu ihren Formen stand. Während viele mollige Frauen ständig den Bauch einzogen, sich im Hintergrund hielten und in zeltartige Kleider mit langweiligen Farben hüllten, schien sie sich an ihrem Körper zu freuen. Sie trug einen tief ausgeschnittenen, purpurroten Pullover, Schuhe mit hohen Absätzen und auffällige Ohrringe. Obwohl auch ich Kurven und Muskeln aufweisen konnte, fühlte ich mich neben ihr klein und farblos, bis ich die Angst in ihren hellvioletten Augen bemerkte. Ich bot ihr einen Platz auf demselben Sofa an, auf dem vor einer Stunde noch Tommi Laitinen gesessen hatte. Leichter Rosenduft verbreitete sich in meinem Dienstzimmer.
»Wenn ich richtig informiert bin, gehörten Sie zu Petri Ilveskivis engstem Freundeskreis. Wie lange kannten Sie ihn schon? «
»Sehr lange. Wir waren auf dem Gymnasium in derselben Klasse und gehörten außerdem beide der Theater-AG unserer Schule an. Nach dem Abitur haben wir uns dann aus den Augen verloren. Erst 1994 haben wir uns wieder gesehen, als ich zum ersten Mal in der Stadtverordnetenversammlung saß und Petri zu einem Diskussionsabend über Stadtplanung kam. Damals haben wir gemerkt, dass wir uns immer noch gut verstehen. Wir vertreten in vielen Punkten dieselbe Meinung, auch wenn wir verschiedene Parteien repräsentieren . «
Obwohl ihre Stimme zitterte, klang sie tief und warm. Ich hätte gern gewusst, wie sie sich anhörte, wenn sie fröhlich war.
»Können Sie sich vorstellen, wer einen Grund gehabt haben könnte, Petri Ilveskivi zusammenzuschlagen? «
Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr die schwarzen Locken in die Stirn fielen.
»Petri hatte eine ausgesprochen spitze Zunge, aber deshalb würde ihn wohl niemand schlagen - höchstens im übertragenen Sinn unter die Gürtellinie. Einigen Politikern fiel es schwer, mit Petris offenem Bekenntnis zur Homosexualität umzugehen. Intrigen sind in der Politik ohnehin an der Tagesordnung, umso mehr, wenn jemand bewusst aus der Reihe tanzt . «
Ich nickte. In der Espooer
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