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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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miteinander reden kann. Obwohl es natürlich auch Dinge gibt, die man besser verschweigt«, fügte ich hinzu und dachte an die Gefühle, die mich im Herbst vor zwei Jahren gequält hatten. Es wäre unfair gewesen, Antti ins Gesicht zu sagen, dass ich einem anderen Mann nachtrauerte.
    Ich verzichtete auf ein zweites Bier und stieg auf Mineralwasser um, denn leere Wohnung und Schwips waren eine gefährliche Kombination. Außerdem war ich ja mit dem Fahrrad unterwegs. Es gelang mir, Koivu ein wenig aufzumuntern. Nach einer freundschaftlichen Umarmung zum Abschied radelte ich nach Hause, was die Beine hergaben, duschte heiß und aß drei Butterbrote. Das Einschlafen fiel mir überraschend leicht.
    Am Samstagmorgen war ich sauer. Ich hätte genauso gut nach Inkoo mitfahren können, denn die Ermittlungen traten auf der Stelle. Sollte ich mich einfach auf den Weg machen? Ich konnte ja zurückkommen, falls Marko Seppälä auftauchte. Kurz entschlossen zog ich Sportkleidung an, radelte aber zunächst zum Präsidium, um nachzusehen, ob es etwas Neues gab. Nichts. Bis zum Sommerhaus meiner Schwiegereltern waren es vierzig Kilometer, bei Rückenwind würde ich die Strecke in zwei Stunden schaffen. Ich schwang mich in den Sattel, doch statt nach Inkoo fuhr ich zum Tatort.
    Die frisch gepflügten Felder waren noch erdbraun, rochen aber schon nach Frühling. Ich fuhr langsam über einen holprigen Sandweg, auf dem vereinzelte Grashalme wuchsen. Die Sonne hatte die Kinder mit ihren Fahrrädern nach draußen gelockt, ein besonders abgehärteter Jogger lief seine Runden mit nacktem Oberkörper. Die Fliederbüsche plusterten die violetten Knospen auf, und an einem sonnigen Abhang blühten bereits die ersten Buschwindröschen. Der Frühling brach sich Bahn, doch sobald Mutter Erde sich in ihr zartes, bunt-grünes Frühlingsgewand gehüllt hatte, war die Pracht schon wieder vorbei, und das üppige Spinatgrün des Frühsommers würde die feinen Farbabstufungen überdecken.
    Im Wald grünte noch nichts, in den schattigsten Winkeln lag sogar noch Schnee. Ein Fasan trompetete mitten auf dem Weg und flatterte träge beiseite, als ich näher kam.
    Ich erkannte die Stelle anhand der Aufnahmen vom Tatort. Der Anstieg war kurz, aber steil, das Tempo ging zwangsläufig zurück, sodass es leicht war, einen Radfahrer zu überfallen. Dennoch war der Angreifer ein ziemliches Risiko eingegangen.
    Hatte Petri Ilveskivi etwas geahnt, oder war der Angriff überraschend gekommen? Hatte der Täter von Anfang an vorgehabt, ihn zu töten?
    Vielleicht hatte Ilveskivi etwas bei sich gehabt, was Marko Seppälä begehrenswert erschienen war. Es sei denn, Seppälä hätte aus einem plötzlichen Impuls heraus zugeschlagen. Womöglich hatte er bei seiner Zigarettenpause im Wald gesehen, dass Ilveskivi auf seinem Rad etwas transportierte, was sich zu Geld machen ließ. Einen Laptop, einen CD- Player?
    Aber Tommi Laitinen hatte mit keinem Wort erwähnt, dass etwas verschwunden war.
    Ich stellte mein Rad am Wegrand ab und ging in den Wald. Im Ameisenhaufen rührte sich noch nichts, aber die Lerchen bauten bereits ihre Nester, ihre Rufe schallten vom Feldrand herüber. Sonst war es still, bis ein plötzliches Rascheln mich auffahren ließ. Ich musste an den Drogenboss Salo und seine Kumpane denken: Es wäre eine Leichtigkeit gewesen, mich in den einsamen Wald zu verfolgen.
    Ein irischer Terrier kam fröhlich angesprungen und versuchte Bekanntschaft zu schließen. Ich streichelte ihn erleichtert und verzichtete darauf, den um Entschuldigung bittenden Besitzer, der ihm folgte, darauf aufmerksam zu machen, dass Hunde im Wald an der Leine zu führen waren.
    Ich radelte durch den Zentralpark nach Hause. Als ich aus der Duschkabine kam, trat ich auf Iidas funkelnde Ohrclips. Sie hatte von meiner Schwester Helena einen kompletten Satz Prinzessinnenschmuck bekommen, mit Diadem und allem Drum und Dran. Sie liebte es, sich mit den Klunkern zu behängen, obwohl die Ohrclips zwickten. Als sie erklärte, das mache ihr nichts aus, denn der Ohrschmuck sei so wunderschön, hatte ich mich nur mühsam beherrschen können. Ich fand es erschreckend, dass ein zweieinhalbjähriges Mädchen meinte, für Schönheit leiden zu müssen.
    Als ich klein war, hatte auch ich gern Spitzenunterröcke und das Hochzeitskleid der Mutter meiner Freundin angezogen. Was war so schlimm daran? Würde ich genauso neurotisch reagieren, wenn ich einen Sohn hätte, der Rennfahrer vergötterte? Wusste ich

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