Wie man sie zum Schweigen bringt
Frühling schnuppern, das Eis auf der Bucht ist schon löchrig . «
»Was nehmen wir mit? «, fragte Iida eifrig. Das Picknick war für sie der Höhepunkt unserer Ausflüge in die Natur. Ich packte Schokoladenkekse und eine Schachtel Salmiakpastillen aus meinem Geheimvorrat ein.
Draußen war es sonnig, aber kühl, deshalb zog ich Iida den gefütterten Overall an. Am Wegrand blühte Barbenkraut wie Hunderte von vierblättrigen Sonnen. Vor der Villa Elfvik vertauschten wir die Turnschuhe mit Gummistiefeln, und Antti holte ein Fernglas aus dem Rucksack.
»Man muss sich seiner Umgebung anpassen«, lachte er.
»Dass du darauf erpicht bist, war mir bisher nicht aufgefallen. Guck mal, Iida, in dem Haus haben Papa und Mama geheiratet«, sagte ich und zeigte auf die Villa. Unsere Hochzeit lag fünfeinhalb Jahre zurück, die Zeit verging erschreckend schnell. Nur während des Mutterschaftsurlaubs hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, die Tage dehnten sich wie zuckrige Kaugummistreifen, aber seit ich wieder arbeitete, rasten sie so schnell vorbei, dass ich mitunter die Wochentage durcheinander brachte.
»Wann darf ich dahin? «, fragte Iida und schaute sehnsüchtig zu dem Pferdestandbild auf dem Hof. »Kann ich dahin reiten? «
»Wohin? « Ich hob sie auf die Statue, dazu stand sie schließlich da.
»Zum Heiraten. Kommt ihr auch mit? «
Antti erklärte ihr geduldig, was Heiraten bedeutete, während ich die Stille und den moorigen Geruch genoss. Schon wegen der Erinnerung an unsere Hochzeit mochte ich diesen Ort, der eine der Oasen in unserer Stadt war. Das Einzige, was die Idylle störte, war der Lärm, der von der Autobahn und vom Westring herüberdrang.
Am Ufer wimmelte es nicht nur von Vögeln, sondern auch von Ornithologen. Interessiert begutachtete ich die neueste Mode in puncto Kameras, Ferngläser und Freizeitkleidung. Antti zeigte Iida, wie man durch ein Fernglas schaut, während ich die Fülle der Grün und Brauntöne bewunderte, die haarigen violetten Büschel der Riesenflockenblumen und die rötlichen Weidenzweige, die im Sommer vom Laub verdeckt wurden. Ich mochte die kahlen Weidenbüsche, die Farbnuancen der blanken Zweige und Stämme waren so überwältigend schön wie die Laubfärbung im Herbst.
Plötzlich war von Süden her ein wildes Tröten zu hören, und mir wurde klar, was Anttis vogelbegeisterter Kollege gemeint hatte, als er von einem phantastischen Vogelzug sprach. Mindestens fünfzig Saatgänse flogen über uns hinweg, sie bildeten einen Keil, an dessen Rand sich ein kleinerer Keil befand. Im letzten Herbst hatten Iida und ich den davonziehenden Gänsen nachgewinkt, und als auch die Bachstelzen in den Süden flogen, hatte ich sie geradezu angefleht zu bleiben. Nun kehrten die Gänse zurück, und bald würden auch die Bachstelzen wieder da sein, mit dem Schwanz wippen und Einstein foppen. Die Ornithologen richteten ihre Ferngläser auf die Saatgänse, aber ich winkte den Vögeln zu, und Iida setzte eine feierliche Miene auf und winkte auch.
Wir wanderten am schilfbewachsenen Ufer entlang, bis wir zu einer ruhigen Uferwiese kamen, die mit Leberblümchen und Buschwindröschen gesprenkelt war. Rund um die Wiese standen kleine Hütten aus Stroh und Holz, die offenbar schon im letzten Sommer gebaut worden waren. Iida fand die kleinen Häuschen so aufregend, dass sie jedes einzelne untersuchen und im schönsten Picknick machen wollte.
»Verstecken wir uns in der Hütte ganz am Rand, vielleicht ist Iida eine Weile mit den Keksen beschäftigt«, flüsterte Antti und zog mich an sich.
Wir schlüpften in die Hütte, küssten und schmusten und kicherten wie ausgebüxte Teenager. Gerade als ich an Anttis Reißverschluss herumfingerte, merkte Iida, dass ihre Eltern verschwunden waren. Es half nichts, wir mussten aufhören. Iida hatte sämtliche Kekse vertilgt und sich dabei das Gesicht derart mit Schokolade verschmiert, dass wir sie mit dem eiskalten Meerwasser waschen mussten.
Auf dem Rückweg schlief sie im Kindersitz ein und wurde nicht einmal beim Ausziehen wach. Wir legten sie in ihr Bett und machten weiter, wo wir in der Hütte aufgehört hatten. Vor dem Einschlafen überlegte ich, ob es ein anderes Gefühl wäre, mit Antti zu schlafen, wenn wir versuchen würden, ein zweites Kind zu bekommen.
ELF
Schneeregen fiel vom Himmel, und obwohl jeder Polizist über lausiges Wetter zum Ersten Mai froh sein musste, fluchte ich auf dem Weg zum Präsidium wütend vor mich hin. Bei der
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