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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Stühlen, gelbgrünen Isolierplatten und Fetzen von Zeltstoff ragte ein linker Fuß in einem schweren Stiefel hervor.
    »Haben wir eine komplette Leiche oder nur Einzelportionen? «, dröhnte Mela.
    »Allem Anschein nach ist es jedenfalls mehr als nur ein Fuß«, antwortete Hakulinen von der Spurensicherung. »Kallio, willst du dich noch umsehen, oder fangen wir an zu graben? Der Deponiechef meint, die Leiche müsse schon eine Weile auf der Halde gelegen haben. Der Haufen ist kurz vor dem Maifeiertag zuletzt geebnet worden .  «
    »Fangt ruhig an«, sagte ich und ging näher heran, um pflichtgemäß zuzuschauen. Vorsichtig begannen die Kriminaltechniker, den Abfall über der Leiche abzutragen. Zuerst kam ein schlanker Oberschenkel in schwarzer Lederhose zum Vorschein, dann die Hüfte und das zweite Bein. Es handelte sich um die Leiche eines Mannes, dessen Hüften so schmal waren wie die eines halbwüchsigen Jungen. Der Geruch verstärkte sich, als die Körpermitte freigelegt wurde. Würmer hatten das Blut ausgesaugt, in der offenen Wunde auf der Brust hatten Fliegen ihre Eier abgelegt.
    »Vermutlich erschossen«, sagte Lahde ausdruckslos.
    Der Kopf war von einem Müllsack bedeckt. Auch in der Nähe der Beine lagen schwarze Plastikfetzen, möglicherweise hatte die Leiche also in zwei Müllsäcken gesteckt, die vom restlichen Abfall und von den Maschinen teilweise zerrissen worden waren. Behutsam legte Hakulinen das Gesicht des Toten frei. Es war schwarz verfärbt, die Verwesung hatte bereits eingesetzt. Ich bat Mela, am Laptop in meinem Wagen die Vermissten und Fahndungslisten aufzurufen.
    »Was meinst du, könnte es sich um dieselbe Person handeln? «, fragte ich ihn wenig später. Der Praktikant rieb sich die Nase, als wolle er sie verstopfen, bevor er abwechselnd auf das Polizeifoto und auf die Leiche starrte, die noch auf der Abfallhalde lag. Trotz teilweiser Verwesung waren die schmale Gesichtsform, das kleine Kinn und die schiefe Nase noch deutlich zu erkennen.
    »Mir scheint, wir haben Marko Seppälä gefunden«, sagte ich halblaut.
    Neben mir holte Mela tief Luft, sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. Ich zog ihn zur Seite, sagte ihm, er solle sich hinsetzen, und drückte seinen Kopf nach unten, zwischen die Knie. Dann bat ich die Spurensicherung, Verstärkung anzufordern, und wies Lahde an, die Kollegen aus unserem Dezernat auf die Müllkippe zu beordern.
    »Die Fleischkarre auch gleich, oder? «, rief Hakulinen.
    »Ja. Die Leiche soll so schnell wie möglich obduziert werden .  « Der Personalbeschreibung nach hatte Marko Seppälä am rechten Oberarm eine Tätowierung, ein Herz mit der Inschrift »Suvi«, dem später kleine Herzen mit den Namen seiner Kinder hinzugefügt worden waren. Falls der Verwesungsprozess nicht zu weit fortgeschritten war, konnte er anhand der Tätowierung identifiziert werden. Unglücklicherweise war die Leiche unter dem Abfall und im Plastiksack höheren Temperaturen ausgesetzt gewesen als unter freiem Himmel.
    Mela saß immer noch mit dem Kopf zwischen den Knien da. Lahde zwinkerte mir viel sagend zu, ich hoffte, er würde Mela nicht allzu sehr aufziehen. Für einen Neuling war diese Leiche ein entsetzlicher Anblick. Auch mir war übel. Ich ging zum Wagen, um aufzuschreiben, was im Einzelnen untersucht werden musste. Im Vorbeigehen legte ich mir ein paar aufmunternde Worte für Mela zurecht, hielt es dann aber für besser, ihn in Ruhe zu lassen.
    Innerhalb einer Viertelstunde trafen weitere Kriminaltechniker ein, die ich beauftragte, das Gebiet nach der Tatwaffe und eventuellen Spuren abzusuchen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte man auf einer Müllkippe in Hyvinkää Teile mehrerer Leichen gefunden, dementsprechend makaber waren die Witze, die die Männer sich zuriefen. Koivu und Wang trafen unmittelbar nach dem Leichenwagen ein, als ich gerade mit dem gerichtsmedizinischen Institut verhandelte, um eine Obduktion am selben Tag durchzusetzen, denn die Bestimmung der Todeszeit war für die weiteren Ermittlungen wichtig.
    »Gut, dass ihr da seid«, sagte ich zu Koivu, der großtuerisch ausstieg, sich aber schleunigst wieder zurückzog und den Atemschutz hervorkramte.
    »Ihr beiden könnt schon mal anfangen, die Angestellten zu befragen, versucht bitte abzuklären, wie die Leiche auf die Deponie gelangt sein kann. Jede Lieferung wird registriert, und das Gelände ist eingezäunt, man kann also nicht einfach mit einem Toten im Kofferraum zur Halde fahren. Mela, du könntest die

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