Wie redest du mit mir
Schulfreundin erlebt hatte. Nach einigen Jahren Tätigkeit in der Schreinerei eines Onkels hatte sich Karl dazu durchgerungen, als Bühnenbildner beim Theater zu arbeiten und – um eventuell doch noch studieren zu können – nebenher am Abendgymnasium das Abitur nachzuholen.
Dort lernte Karl Diana kennen. Diana unterrichtete als Studienrätin Deutsch und Geschichte. Karl imponierte Dianas Bildung, ihre souveräne Ausstrahlung, ihre Schlagfertigkeit und nicht zuletzt ihre sehr weibliche Erscheinung.
Diana, 30 Jahre alt, einziges Kind einer gutbürgerlichen Unternehmerfamilie, wuchs unter materiell wesentlich günstigeren Bedingungen heran. Ihre relativ alten Eltern sorgten für eine optimale Ausbildung bis zum Abitur, mit dem Ziel,ihr später einmal die eigene Möbelfirma zu übergeben. Wegen der aufreibenden Geschäftstätigkeit konnten sich Dianas Eltern nur unzureichend um sie kümmern. Das Mädchen lernte aber früh, sich Ersatzzuwendung durch ihre Geselligkeit, ihren Einsatz und ihre Hilfsbereitschaft bei Nachbarn und Schulkameradinnen zu holen. Sie gehörte immer zu den Besten in der Klasse und wurde regelmäßig zur Sprecherin derselben gewählt. Anderen Menschen etwas beizubringen, sich für sie einzusetzen, erschien ihr wesentlich sinnvoller, als sich ins gemachte Firmenbett der Eltern zu legen. So entschloss sich Diana, schon als kleines Mädchen immer ausgesprochen eigenwillig, den elterlichen Plänen nicht Folge zu leisten und statt eines betriebswissenschaftlichen Studiums das Lehramt anzustreben, worauf es zum Zerwürfnis mit den Eltern kam, die ihr fortan ihre Unterstützung entzogen. Während des Studiums war sie mit einem gleichaltrigen Kommilitonen befreundet, der sie nach vier Jahren plötzlich verließ, wie sie vermutete, wegen einer äußerlich noch attraktiveren Frau. Nach ein paar Single-Jahren und einer mühsamen beruflichen Etablierung als eine von nur zwei Lehrerinnen an einem Abendgymnasium glaubt sie in Karl endlich einen Mann gefunden zu haben, den sie heiraten möchte.
Ihr gefällt an ihm seine aufmerksame Art, seine Achtung ihr gegenüber, seine gelegentlich liebenswerte Unbeholfenheit in Gesellschaft, seine unbedingte Treue und vieles mehr.
Beide verlieben sich sehr rasch ineinander und leben seit zwei Wochen in einer frisch bezogenen Wohnung zusammen. Sie denken an Heirat.
Als Diana aufgrund eines Rundfunkberichts vom EP L-Kommunikationstraining erfährt, notiert sie sich spontan die Telefonnummer zur Anmeldung und lässt diese erst einmalin den unergründlichen Tiefen ihrer Handtasche verschwinden.
Eines Abends, als sie die unbändige Lust packt, mal wieder tanzen zu gehen, erntet sie nur ein indifferentes »meinetwegen, wenn’s denn sein muss« ihres weniger tanzwütigen Karls. Diana fällt auf, dass ihr mit solchen Antworten jegliche Stimmung verdorben wird und sie eigentlich höchst selten weiß, was ihr Lebensgefährte nun wirklich will oder auch nicht will. Eine klare Artikulation seiner Wünsche würde seiner Persönlichkeitsentwicklung gut zu Gesicht stehen, und sie erinnert sich wieder an das Kommunikationstraining.
In ihrer unnachahmlichen Entschlossenheit meldet sie sich und Karl für den nächsten Kurs an. Karl wird das Vorhaben beim Abendessen mitgeteilt:
»Du Schatz, ich habe für uns am übernächsten Wochenende ein Kommunikationstraining für Paare gebucht, das scheint eine recht gute Sache zu sein und wird auch dir sicherlich viel bringen.«
»Ja aber, das kostet doch bestimmt einen Haufen Geld …«
»Mach dir da mal keine Sorgen – das kostet uns fast gar nichts – und im Übrigen könnten wir ruhig mal wieder was für unsere Beziehung tun.«
»Na, ich weiß nicht …«
»Jetzt maul nicht rum, das wird dir bestimmt gefallen.«
»Na da bin ich ja mal gespannt. Du immer mit deinen Überraschungen …«
»Was heißt hier ich immer? Du könntest ruhig mal dankbar sein, dass ich mir immer was für uns einfallen lasse, oder?«
»Ist ja gut, ich sag ja gar nichts mehr.«
4. 1. 3. Viktor Hick und Viktoria Hacker und die zweiseitige Dominanz
Viktor ist 31 Jahre alt. Er ist ein Einzelkind aus sehr angesehenem Hause. Sein Vater, ein bekannter Rechtsanwalt, führte ein strenges Regiment in Viktors Elternhaus. Was für ihn zählte, war ausschließlich Leistung. Die ein wenig träumerisch veranlagte Mutter konnte sich mit ihren künstlerischen Neigungen in dieser Ehe nicht entfalten. Viktor liebte das Wesen seiner Mutter sehr,
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