Wie Samt auf meiner Haut
Mann. Er trat einen Schritt zurück und war ihrer Sicht
entzogen, ehe sie mehr als einen flüchtigen Eindruck von seinem Gesicht
gewinnen konnte. »Ich bin gleich wieder da«, sagte Jason zu ihr. Nach einem
letzten prüfenden Blick, der ihr galt, durchschritt er die Tür und schloß sie.
Er ließ Velvet total aufgewühlt zurück. Ihre Gedanken wie auch ihr Körper
waren in Aufruhr.
Als er den
Stall betrat, sah Jason Lucien Montaine in der kühlen Dunkelheit warten. Sich
zur Ruhe zwingend, strich er sich das Haar aus dem Gesicht. Zu dumm, daß er das
Band vergessen hatte, mit dem er es zügelte. Zu dumm, daß er aussah wie ein
Mann, der eben bei der Liebe gestört worden war. Er verwünschte sich deswegen
und haßte sich für sein Benehmen.
»Und ich
machte mir schon Sorgen wegen deines einsamen Landlebens ... und befürchtete,
du littest Langeweile.«
Jason, dem
Luciens Sarkasmus nicht entging, beschränkte sich darauf, den Kopf zu
schütteln. Der Marquis of Litchfield wußte offenbar genau, was sich eben im
Haus zugetragen hatte.
»Langeweile
ist meine geringste Sorge.« Jason fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Gottlob
bist du gekommen, und das genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich weiß gar nicht,
wie es passieren konnte. Eben kämpften wir noch miteinander, und im nächsten
Moment küßte ich sie. O Gott, sie hat den weichsten, süßesten Mund, den ich je
kostete.« Wieder schüttelte er den Kopf, noch immer erstaunt über sich selbst.
»Jedenfalls ist es allein meine Schuld und nicht jene der Lady. Es war nicht
meine Absicht, so etwas geschehen zu lassen. Lucien, du hast mein Wort, daß es
nie wieder vorkommen wird.«
»Ich nehme
an, ich bin rechtzeitig eingetroffen, ehe du so weit gehen konntest, unsere
reizende kleine Unschuld zu entjungfern.«
Jason
schloß die Augen. Er wünschte, er hätte die Erinnerung an ihre schönen Brüste
auslöschen können. »Das Mädchen ist noch unberührt.« Aber sie wäre es nicht
mehr gewesen, wenn Lucien sie nicht gestört hätte.
»Dann ist
es ja gut, daß dir nur noch ein Tag in inniger Zweisamkeit mit ihr bevorsteht.
Ich baue darauf, daß du deine niedrigen Instinkte so lange zügeln kannst.«
Jason
seufzte. »Unfaßbar, daß ich mich so benehmen konnte. Daß ich mich verändert
habe, seit ich England verließ, wußte ich wohl, aber wie stark, das ahnte ich
nicht.«
Sein Freund
zog erstaunt eine schwarze Braue hoch. »Gewiß hast du das Mädchen nicht mit
Gewalt nehmen wollen.«
Jason riß
die Augen auf. »Um Himmels willen, nein. So tief würde nicht einmal ich
sinken.«
Lucien
verzog amüsiert den Mund und schlug Jason auf den Rücken. »Dann beruhige dich,
mein Freund. Die Dame ist ein hübsches kleines Ding und verlockend für jeden
Mann. Quäle dich nicht mit Gewissensbissen, weil du nur menschlich reagiert
hast.«
Diese Bemerkung
entlockte Jason ein Lächeln. »Ihre Tugend ist nicht gefährdet, wie ich eben
sagte. Trotzdem bin ich froh, daß die Sache so gut wie erledigt ist.«
»Und das
ist auch der Grund meines Kommens. Avery hat das Schreiben erhalten, das den
Verfall des Pfandscheines ankündigt. Morgen um Mitternacht wird Carlyle Hall
samt vierzehntausend Morgen Land wieder dein Eigentum sein.«
Jason
nickte befriedigt. «Und die Hochzeit? Was hast du darüber gehört?«
Lucien ließ
ein leises Lachen hören. »Ich muß sagen, es war einmalig.
Als ich heute frühmorgens in Carlyle Hall eintraf, trug Avery mit seinen
Gefühlen so dick auf, daß er beinahe knöcheltief darin versank. Er zeigte sich
schier untröstlich, weil seine Zukünftige auf der Fahrt zu ihrer Hochzeit Wegelagerern
in die Hände gefallen sei. Er scheue keine Kosten und Mühen, sie zu finden, die
Trauung müsse freilich verschoben werden.«
Jason
runzelte die Stirn. »Er hat seine Heiratspläne nicht aufgegeben?«
Lucien sah
ihn lange an und zuckte dann mit den Schultern. »Wenn sie ihn noch möchte.
Aber vielleicht wird sie entdecken, wie es in Wahrheit um seine
Vermögensverhältnisse steht. Ich bezweifle sehr, ob die Haversham-Erbin Wert
darauf legt, sich an einen verarmten Herzog zu binden.«
Jasons
Spannung ließ sichtlich nach, als er das hörte. Ihm war gar nicht aufgefallen,
wie widerwärtig ihm die Vorstellung war, Velvet könnte seinen Bruder trotz
allem heiraten. »Dann werde ich dafür sorgen, daß sie übermorgen wohlbehalten
in Carlyle Hall eintrifft. Ihr Großvater soll sich nicht länger als nötig
aufregen müssen.«
Lucien
nickte. »Falls ein Problem
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