Wie Samt auf meiner Haut
So
steckte er ein kleines Vermögen in ein Verfahren zur Gewinnung von Trinkwasser
aus Salzwasser, das nicht klappte. Viel Geld kostete ihn auch eine Formel zur
Verwandlung von Blei zu Silber, ebenso das Experiment, Quecksilber zu einem
vielfach verwendbaren Metall zu machen. Er handelte mit Menschenhaar,
importierte Esel aus Spanien und finanzierte einen Erfinder, der behauptete,
ein Perpetuum mobile ersonnen zu haben.«
Ihr Gesicht
war aschfahl geworden. »Du lieber Himmel ...«
»Keines
dieser Unternehmen hat auch nur den geringsten Profit abgeworfen. Der Herzog
ist in geschäftlichen Dingen ein totaler Versager. Wenn Sie ihn heiraten, gerät
Ihr Vermögen in die Hände eines Mannes, der es sehr wahrscheinlich bald
verpulvern wird.«
Sie sank
auf das Sofa, noch bleicher als vorhin. »Warum sagen Sie mir das alles erst
jetzt? Warum sind Sie nicht eher damit herausgerückt, wenn Sie die Verlobung
beenden wollten?«
»Ich habe
nie gesagt, daß ich der Verlobung ein Ende machen wollte. Es genügt, wenn ich
sage, daß ich nicht riskieren konnte, Ihr
Geld in seine Hände fallen zu lassen ... wenigstens nicht vor übermorgen.«
Sie faltete
ihre zitternden Hände im Schoß. »Sie sprechen doch die Wahrheit, oder?«
»Ja, das
tue ich.«
Velvet ließ
sich auf dem Sofa zurücksinken, schüttelte fassungslos den Kopf, und plötzlich
fing sie zu lachen an. »Nicht zu glauben!« Der Gedanke an Avery und die Ehe,
von der sie sich Rettung erhofft hatte, steigerte ihre Belustigung, so daß sie
lachte und immer heftiger lachte und gar nicht aufhören konnte. »Das ist ja
der Gipfel! Absolut der Gipfel!«
Jason sah
erstaunt, daß ihr Gelächter in Tränen überging, die sie mit der Faust
abwischte. Doch sie hörte nicht auf zu lachen. Es war ein hartes, fast
schmerzhaftes Lachen, dessen bitterer Unterton Jason entging.
Der Herzog
heiratete sie ihres Geldes wegen! Sie krümmte sich weiter vor Lachen und schlug
sich auf die Schenkel.
Sie lachte
mehr Tränen, so viele, daß diese sie blendeten und sie nichts mehr sehen
konnte.
»Schluß
jetzt!« befahl Jason stirnrunzelnd, doch sie reagierte nicht auf ihn. »Schluß,
sage ich!« Erst als er sie vom Sofa hochriß und schüttelte, brachte er sie zum
Schweigen. Ihr Lachen ging in heftiges Schluchzen über, das qualvoll ihren Leib
durchzuckte.
»Ach
Herzogin ...« Jason nahm sie in die Arme und drückte sie schützend an seine
Brust. »Er hat Sie nicht verdient.«
Sie weinte
noch mehr, schlang ihre Arme um seinen Nacken, klammerte sich an ihm, um seine
Wärme und Stärke zu spüren.
»Ist ja
gut«, versuchte er sie zu trösten. »Sie werden einen anderen finden, den Sie
heiraten können, einen viel besseren Ehemann als Avery Sinclair.«
Velvet
hörte seine Worte zwar, doch war es vor allem sein sanfter Ton, der ihre
Verzweiflung durchdrang. Er fühlte sich so gut und so fest an, und seine
tröstenden Hände waren von so unglaublicher Zärtlichkeit. Ihre Tränen
versiegten allmählich, das Schluchzen verebbte. Sie spürte seine harten Arme
um sich, seinen stetigen Herzschlag unter ihrer Hand. Mit einem letzten
verschleierten Blick in sein Gesicht machte sie sich los.
»Es tut mir
leid.« Ihre Stimme klang heiser vom Weinen. »Es ging nicht nur um den Herzog
und meine fehlgeschlagenen Ehepläne. Es war alles zusammen, denke ich.«
Er wischte
ihr mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. »Schon gut. Bald werden Sie zu
Hause sein, und dies alles wird hinter Ihnen liegen.«
Velvet
nickte, doch ihr Herz schmerzte unter der Gewißheit eines unersetzlichen
Verlustes, und das Lächeln, mit dem sie ihn ansah, war gezwungen.
Es würde
ganz und gar nicht alles wieder gut sein. Wenn sie keinen anderen Mann fand –
einen mit so viel Geld, daß er für die Haversham-Schulden aufkommen konnte –,
würde sie ruiniert sein.
Velvet, die
mit Mühe gegen neue Tränen ankämpfte, wünschte sich mehr denn je, in die Stille
ihres Hauses zurückkehren zu können.
7
Die
letzten zwei Tage
vergingen friedlich und ereignislos. Jason war zwar im Zweifel, ob es nicht
ein Fehler gewesen war, daß er Velvet nicht gleich von Anfang an die Wahrheit
über Avery
gesagt hatte, doch stand zu vermuten, daß er bei ihr auf Unglauben gestoßen
wäre. Sie hätte ihn für verrückt gehalten und ihre Fluchtversuche noch
energischer betrieben.
Nun aber
kannte sie die Wahrheit – zumindest einen Teil – und schien ihm zu glauben. Sie
hatte ihm auch geglaubt, als er ihr versprach, daß er sie nach Carlyle
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