Wie Samt auf meiner Haut
Betrug einer Frau leiden zu müssen.
Obschon
Lucien sich selbst kaum als Experten bezeichnet hätte und im übrigen zum
Zynismus neigte, glaubte er im Innersten seines Herzens, daß sein Freund es
verdiente, wahre Liebe zu erfahren.
Als
Jason die Tür des
Peregrine's Roost aufstieß und eintrat, hatte er das sichere Gefühl, die
Antwort auf sein Problem sei hier in diesem ländlichen Wirtshaus zu finden. Es
mußte jemanden geben, der etwas gesehen hatte – und nicht nur das, was Avery
in die Welt gesetzt hatte, daß nämlich der Duke of Carlyle von seinem älteren
Sohn im Verlauf seiner Auseinandersetzung, bei der es um seine Geliebte ging,
ermordet wurde.
Jemand
mußte mehr gesehen haben als das Gesicht seines gramgebeugten Halbbruders,
dessen heroische Bemühungen nicht vermocht hatten, das Leben des Vaters zu
retten, wohl aber den Mörder zu überwältigen. Es mußte etwas geben. Aber
bislang hatte niemand auch nur den geringsten Hinweis entdecken können.
Jason zog
den Kopf ein und betrat die niedrige Schankstube, in der acht Jahre nicht viel
verändert hatten und in der wie immer der Geruch nach Rauch und schalem Bier
hing. Nur der Boden mit den rohen Planken und die schweren eichenen
Deckenbalken waren nachgedunkelt.
Die
Holztische waren frisch gebeizt, doch die Schrammen und Vertiefungen waren
dieselben, die Bänke noch immer uneben ,.. oder vielleicht war es der Boden.
Der Raum im Obergeschoß, den er mit Celia geteilt hatte, sah aus wie ehedem,
oder zumindest hatte er diesen Eindruck gehabt, als er durch das Außenfenster
einen Blick hineingeworfen hatte. Die Gardinen wirkten zwar ein wenig
verschlissener, das Bett, dessen Matratze frisch gestopft werden mußte, schien
kleiner, aber vielleicht hatte der Raum ohne Celias beherrschende Gegenwart
schon seinerzeit so ausgesehen.
Seine
Gedanken galten ihr, als er sich an einen leeren Tisch setzte und einen Humpen
Bier bestellte. Er hatte erfahren, daß sie in London dank der jährlichen
Apanage, die Avery ihr zukommen ließ, auf sehr großem Fuß lebte, und er fragte
sich, wie sie reagieren würde, wenn man ihr erzählte, daß der Duke of Carlyle
bankrott war – falls sie es nicht ohnehin schon wußte.
Er fragte
sich auch, wie sie jetzt aussehen mochte und verglich unwillkürlich ihre
hochgewachsene, ranke, schwarzhaarige Schönheit mit dem Reiz, den die
zierliche, vollbusige Gestalt Velvet Morans auf ihn ausübte.
Sie waren
so unterschiedlich, wie Frauen nur sein konnten. Dunkel und verführerisch die
eine, die andere lebendig und energiegeladen und vor allem durch ihr
Temperament begehrenswert. Celia war die Verkörperung des Bösen, während in
Velvet Leidenschaft mit Unschuld kämpfte, wobei ihr Reiz durch ihre Naivität
noch erhöht wurde. Dazu kamen Sanftheit und Güte, Eigenschaften, von denen er
spürte, daß sie den meisten Frauen, denen er begegnet war, fehlten.
Lady
Brookhurst hatte nicht das kleinste Quentchen Güte besessen, keinen Funken
Mitgefühl, doch hatte seine Leidenschaft ihm damals den Blick für ihre wahre
Natur getrübt.
Jason sah
Celia vor seinem geistigen Auge und umfaßte unwillkürlich seinen Humpen
fester. Celia wußte, was damals wirklich geschehen war. Celia könnte seine
Rettung sein, doch wagte er nicht, zu ihr zu gehen. Er konnte ihr Geld bieten,
das sie sehr bald brauchen würde, wenn sie nicht jetzt schon in Not war. Aber
auch eine große Summe würde womöglich nicht ausreichen, um ihm ihre Hilfe zu
sichern. Ein kleiner Skandal war etwas ganz anderes als ihr Eingeständnis, daß
Avery Sinclair der Mörder seines Vaters war. Damit hätte sie sich der
Komplizenschaft an einem Mord schuldig gemacht.
Selbst wenn
es sich bezahlt machte, würde Lady Brookhurst nie das Risiko eingehen, von der
guten Gesellschaft geächtet zu werden. Nein, er mußte den Zeitpunkt richtig
wählen und sie mit der drohenden Entlarvung in Angst und Schrecken versetzen,
und dazu brauchte er ein Druckmittel, um sie zu einem Geständnis zu zwingen –
kurzum, er brauchte einen Zeugen, der sich mit seinem Wissen aus der Deckung
wagte.
Jason ließ
seinen Blick durch den Schankraum wandern und musterte die Gesichter der
Kellnerinnen, der Gäste, des feisten Mannes hinter der Theke. Er leerte seinen
Humpen und schlenderte wie zufällig in die Küche. Beim Anblick des bekannten
runden Gesichtes der Köchin schlug sein Herz schneller.
»Was kann
ich für Sie tun, mein Lieber?« Die kleine beleibte Frau fragte es lächelnd und
kam mit einer schweren
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