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Wie Samt auf meiner Haut

Wie Samt auf meiner Haut

Titel: Wie Samt auf meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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Hausmädchen betätigte und
Tabby beim Saubermachen und Aufräumen half, fertigte sie mit Nadel und Faden
wahre Meisterwerke an. »Mein Kostüm ist wirklich zauberhaft.«
    Sie hatte
ein mittelalterliches Gewand gewählt und würde als junge Guinevere erscheinen.
Ihre Tunika aus blauem Samt, die ein Unterkleid aus bernsteinfarbener,
goldbestickter Seide ergänzte, schmückte ein goldener Gürtel, von dem ein Dolch
mit verziertem Griff hing, dessen Edelsteine längst durch Imitationen ersetzt
worden waren. Die langen, spitz zulaufenden Enden ihrer Ärmel reichten fast bis
zum Boden, und ihr Haar würde ihr lose über den Rücken fallen, wie es im
Mittelalter für unverheiratete Mädchen Sitte gewesen war.
    Ein
Geräusch auf dem Korridor lenkte ihre Aufmerksamkeit von dem wunderschönen
Gewand ab, das sie in Händen hielt.
    »Was geht
hier oben vor?« Der Ton ihres Großvaters verriet seine Ungeduld. »Der Wagen
wartet schon, und der Kutscher drängt, da wir uns schon verspätet haben.«
    Velvet lief
an den oberen Treppenabsatz. »Wir sind fertig, Großvater. Eine Minute noch.«
    Ihrem Wort
getreu befanden sie sich binnen einer Viertelstunde auf dem Weg und holperten
die Straße entlang, die sie nach Carlyle Hall bringen würde. In der Woche zuvor
war es noch bitter kalt gewesen, doch mit dem gestrigen Tag war endlich
vorfrühlingshaftes Wetter eingetreten. Der Himmel wölbte sich
als blaue Kuppel über Felder und Wiesen, und durch das Geäst der Bäume am
Straßenrand fiel warmer Sonnenschein.
    Durch ihre
verspätete Abfahrt trafen sie in dem auf halber Strecke gelegenen Gasthof erst
nach Einbruch der Dunkelheit ein, doch ihre Zimmer waren bereit, und das Feuer
im Kamin warm. Am Morgen ging es weiter, und sie kamen viel schneller voran als
erwartet. Unweit des Wealdon Forest kamen sie an einem kleinen, aus rötlichem
Backstein erbauten Weiler vorüber, und ein magerer Hund mit vorstehenden Rippen
rannte kläffend neben ihrem Gefährt einher.
    Carlyle
Hall rückte immer näher, und je näher sie kamen, desto intensiver wurde Velvets
Beklemmung. Immer wieder dachte sie an das letzte Mal, als sie diese Straße
entlanggefahren war, an die Nacht ihrer Entführung.
    Er würde
doch nicht kommen, oder? Gewiß würde er es nicht wagen, sie erneut zu entführen.
Doch sie ertappte sich bei dem Wunsch, er würde auf seinem großen Rappen aus
dem Wald jagen, die Kutsche aufhalten und sie vor sich auf den Sattel
schwingen.
    Als sie die
Straßenbiegung erreichten, an der er sie überfallen hatte, biß Velvet sich auf
die Lippen und verkrampfte die Finger ihrer im Schoß gefalteten Hände. Zwischen
ihren Brüsten hatte sich ein Schweißrinnsal gebildet.
    Ihr
Großvater beäugte sie unter seinen buschigen weißen Augenbrauen hervor. Ihm
waren ihre nervösen Blicke nicht entgangen, die sie aus dem Fenster warf. »Mein
Kind, ich sehe dir an, daß du in Sorge bist. Aber keine Angst, meine liebe
Velvet, diesmal wird dieser Schurke uns nicht unvorbereitet antreffen.« Er
schmunzelte befriedigt. »Wir sind für sein Auftauchen gerüstet. Diesmal ist der
Kutscher bewaffnet.«
    »Bewaffnet?«
stieß Velvet hervor. »O Gott ...!«
    »Ganz
recht, meine Liebe. Sollte der Räuber uns wieder angreifen, wird er sich dem
Lauf einer Pistole gegenübersehen.«
    Velvet
dachte an den kräftigen John Wilton auf dem Kutschbock, und ihr Wunsch, der
Räuber möge erscheinen, wurde vom Gegenteil verdrängt. Komm ja nicht, Jason,
komm nicht. Lieber Gott, sie wollte nicht, daß er getötet wurde! Sie hatte
ja nur gehofft, ihn ein letztes Mal zu sehen.
    Sie starrte
ihren Großvater an, ein stummes Stoßgebet auf den Lippen. Dabei konnte sie sich
nicht genug wundern, daß der alte Earl so vorausblickend war, noch mehr aber
wunderte sie sich, daß er sich an die letzte Fahrt überhaupt erinnern konnte.
Aber so war der Verlauf seines Leidens. Seine Erinnerung an die fernere
Vergangenheit blieb ungetrübt, während sein Gedächtnis von einer Situation zur
nächsten so verschwommen war wie Londoner Nebel.
    Velvet, die
an den Rand ihres Sitzes vorgerutscht war, hielt ihren Blick unverwandt auf die
Bäume am Straßenrand gerichtet und versuchte, ihr wild pochendes Herz zur Ruhe
zu bringen.
    Schließlich
aber zeigte es sich, daß ihre Sorgen unbegründet waren. Jason ließ sich nicht
blicken, und ihr Wagen rollte ungehindert seinem Ziel zu. Offenbar hatte der
Straßenräuber ihre Existenz vergessen.
    Velvet
schwor sich, daß sie ihn von jetzt ab für immer und ewig aus

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