Wie Samt auf meiner Haut
ihr
Großvater hatte sich bereits in sein Schlafzimmer zurückgezogen.
Sie
streifte ihre mit Atlas besetzte Pelerine von den Schultern, öffnete die Tür
zu ihrem Schlafgemach und trat ein. Tabitha tappte schlaftrunken hinter ihr
her, um die Lampen anzuzünden und Feuer zu machen, ehe sie ihr beim Auskleiden
half.
»Nun, haben
Sie sich gut amüsiert, Mylady?«
Velvet
seufzte. »So gut, wie zu erwarten war, wenn man bedenkt, daß es ein Fest
dieses lüsternen Whitmore war. Gott sei Dank hat Balfours Anwesenheit geholfen,
Whitmore abzuwehren, aber ich war heilfroh, als ich endlich nach Hause fahren
konnte.« Sie hatte das Fest mit dem Earl und der Countess of Briarwood,
Freunden Lord Balfours und neuerdings auch ihre Freunde, besucht.
Tabby
hängte ihr Abendkleid und den Reifrock auf und wollte ihr ins Nachtgewand
helfen. Velvet sah die müden Schatten unter ihren Augen und winkte ab.
»Schon gut,
Tabby, alles übrige mache ich selbst. Geh zu • Bett, ehe es auskühlt, und
versuche rasch wieder einzuschlafen.«
»Sind Sie
sicher?«
»Tabby, ich
komme allein zurecht.«
»Sehr wohl,
Mylady. Danke.«
Tabby
schlurfte hinaus, und Velvet setzte sich an den Toilettentisch, um ihr Haar
für die Nacht zurechtzumachen. Nachdem sie alle Nadeln herausgezogen hatte,
fiel es ihr in lockeren
Wellen bis zur Taille. Sie hatte erst ein paar Bürstenstriche getan, als eine
Bewegung am Fenster sie aufschrecken ließ. Sich hastig umdrehend, schnappte sie
nach Luft, als sie auf dem Balkon den Schatten eines Mannes sah. Im nächsten
Moment schwang die Doppeltür auf, und eine große, breitschultrige Gestalt
stand im Raum.
Jason! Velvet schlug das Herz bis zum Hals,
als sie erschrocken aufsprang. »Jason – was, um alles auf der Welt, treibst du
hier?«
Im
Lampenschein wirkten seine Züge hart. Sein markantes Kinn signalisierte
finstere Entschlossenheit. Als er seine Lippen verzog, war es das Zerrbild
eines Lächelns. »Nun, ich wollte Sie sehen, Mylady. Sagen Sie bloß nicht, Sie
würden sich nicht freuen.«
»Natürlich
freue ich mich. Ich habe große Angst um dich ausgestanden. Ständig befürchtete
ich, jemand würde entdecken, wer du bist.«
Als er auf
sie zuging, wirkte seine beeindruckende Größe und sein Körperbau in ihrem
eleganten, feminin eingerichteten Gemach geradezu überwältigend. In seiner
einfachen Kleidung, mit dem schlicht zurückgebundenen Haar, hätte er irgendein
Mann von der Straße sein können, und doch war sie nie einem begegnet, der
besser ausgesehen hätte.
Als er vor
ihr stehenblieb, musterte Velvet sein Gesicht, seine kühnen, wie gemeißelten
Züge, und ihr Herzschlag stolperte.
»Es ist
schon spät«, sagte er. Seine Augen wanderten über ihr dünnes Unterkleid und die
weißen Seidenstrümpfe, das einzige, was sie noch anhatte. »Du mußt den Abend
sehr genossen haben.«
Unter
seinem abschätzenden Blick stieg Röte in ihre Wangen. Es war ein so hungriger
Ausdruck, daß er ihre spärliche Aufmachung
zu durchdringen schien. Sie drehte sich um und griff nach ihrem Morgenmantel
aus gesteppter Seide, schlüpfte hinein und schloß einige Knöpfe.
»Der Abend
war nicht ganz nach meinem Geschmack. Ehrlich gesagt, wäre ich lieber zu Hause
geblieben.«
Er zog
spöttisch eine Braue hoch. »Ach?« In seinem Ton lag etwas Eigenartiges, ein
Anflug von gekränkter Eitelkeit, den er nicht zu unterdrücken vermochte. »Ja,
vielleicht wärest du lieber zu Hause geblieben – mit Balfour.«
»Balfour!
Du glaubst, ich hätte eine Schwäche für ihn?«
»Etwa
nicht?«
»Nun ...
wir sind bekannt. Er hat sein Interesse für mich geäußert, und ich ... ich habe
...«
»Sie haben
was, Mylady? Sein Werben ermutigt? Ihm Freiheiten erlaubt? Womöglich sein Bett
geteilt? Du hast wahrlich keine
Zeit verloren.« Wieder ließ er seinen Blick über sie schweifen. »Nun ja, was
für ein leidenschaftliches kleines Ding du bist, entdeckte ich schon damals im
Jagdhaus.«
Jähzorn
flammte in ihr auf wie ein Blitz. »Wie kannst du es wagen!« Velvet holte aus
und schlug ihn auf die Wange, so fest, daß es knallte. »Lord Balfour ist immer
ein vollendeter Gentleman – was ich von dir nicht behaupten kann!«
Wut
verdunkelte seine Züge. Velvet bekam es momentan mit der Angst zu tun, als sie
ihn so vor sich sah, mit funkelnden blauen
Augen und verkniffenem Mund. »Lady Velvet, Sie haben ganz recht, ein Gentleman
bin ich nicht. Das habe ich von Anfang an nicht verhehlt.« Er legte den Arm um
ihre Taille und zog sie an
Weitere Kostenlose Bücher