Wie Samt auf meiner Haut
Vaters schuld ist.«
»Ich weiß
es – hier drinnen.« Sie legte eine Hand aufs Herz. »Er wollte das Geld meines
Vaters. Als mein Gemahl hat Avery die Verfügungsgewalt über jeden Shilling, den
ich von meinem Vater erbte. Verstehen Sie nicht? Es war Avery. Irgendwie fand
er einen Weg, sein Ziel zu erreichen.«
Christian
war nicht sicher, ob dem Herzog ein Mord zuzutrauen war, aber das spielte
keine Rolle. Der Duke of Carlyle hatte schon mehr als genug getan, uni Haß und
Verachtung des Earl of Balfour auf sich zu ziehen.
»Er schlägt
mich«, flüsterte sie, und Christian versteinerte. »Er achtet immer darauf, daß
man nachher nichts sehen kann. Ich bin bemüht, ihn nicht zu erzürnen, wirklich,
aber es will mir nicht gelingen, sein Wohlgefallen zu erringen.« Sie sah ihn
mit tränenumflorten Augen an. »Bitte, Mylord, werden Sie mir helfen? Ich weiß
nicht, wohin ich sonst gehen sollte.«
Christian
zwang sich zur Ruhe. Am liebsten hätte er Avery Sinclair eigenhändig getötet.
»Mary ... natürlich helfe ich Ihnen.« Er
überlegte angestrengt und zog alle Möglichkeiten in Betracht. »Aber selbst wenn
Sie nicht verheiratet wären, könnten Sie
hier nicht bleiben. Ich bin Junggeselle. Der Klatsch würde sich sofort der
Tatsache bemächtigen, daß eine Frau in meinem Haus wohnt.«
»W ... was
soll ich tun?«
Ja, was? Er
brauchte Hilfe, er brauchte jemanden, dem er vertrauen konnte und der
Verständnis für die Situation aufbrachte.
»Es gibt jemanden, der uns helfen könnte, eine junge Frau, die Averys
Grausamkeit wohl selbst erfahren haben muß. Vielleicht hat sie aus diesem Grund
ihr Verlöbnis mit ihm beendet.«
»Sie
sprechen von Velvet Moran.«
»Von der
jetzigen Lady Hawkins. Ja, sie ist die Frau, die ich meine. Kennen Sie sie?«
»Wir sind
uns mehrmals begegnet. Sie war immer sehr liebenswürdig zu mir.«
Christian
drängte Mary, aufzustehen. Nach ihrem Umhang greifend, hüllte er sie in dessen
schützende Falten.
»Avery wird
es nicht gefallen, wenn seine Pläne durchkreuzt werden. Er wird Sie suchen,
sobald er entdeckt, daß Sie fort sind. Mit dem Geld, das ihm jetzt zur
Verfügung steht, kann er eine ganze Armee auf die Jagd nach Ihnen schicken,
wenn es ihm beliebt.«
»Ich habe ihm
Nachricht hinterlassen und geschrieben, mein Gram sei so groß, daß ich es in
London nicht aushielte. Ich wolle mich auf den Landsitz meines Vaters
zurückziehen und ihn dort erwarten. Die Beerdigung ist für Ende der Woche
angesetzt.«
»Avery wird
mit Sicherheit dort erscheinen. Wenn Sie aufs Land reisen, wird er wissen, daß
Sie ihn verdächtigen. Er wird es in Ihren Augen lesen. Und es ist nicht
vorauszusehen, was er dann tun wird.«
»Ich weiß.
Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
Christian
nickte. »Uns bleibt noch etwas Zeit. Sie müssen sich verborgen halten, bis wir
uns zurechtgelegt haben, was wir unternehmen können.«
Mary legte
ihre leichte, zitternde Hand auf seinen Arm. »Danke, Mylord.«
Marys
errötende Wangen waren die einzigen Farbflecken in ihrem bleichen Gesicht, als
sie ihn mit einem zaghaften Lächeln bedachte, dem ersten, das er heute von ihr
zu sehen bekam. »Ich werde ewig in Ihrer Schuld stehen ... Christian.«
Er strich
sacht mit dem Finger ihre Wangenrundung entlang, voller Bewunderung für ihre
samtige Zartheit. »Mary, ich werde an Ihre Worte denken.« Ohne weitere
Bemerkung führte er sie zur Tür und wies den Butler an, seine Kutsche vorfahren
zu lassen. In der Zwischenzeit überlegte er fieberhaft, wie er das Unrecht,
das der Herzog Mary angetan hatte, rächen konnte.
Velvet, die
in einem schlichten Hauskleid aus indischer Baumwolle im Salon der bleichen
Mary Sinclair gegenübersaß, mußte unwillkürlich daran denken, daß eine merkwürdige
Schicksalsfügung Mary zu ihrer Schwägerin gemacht hatte, obwohl diese davon
natürlich keine Ahnung hatte. Christian
Sutherland stand in Beschützerhaltung neben ihr, eine Seite, die Velvet an ihm
nie kennengelernt hatte.
Der Earl
war vor einer knappen Stunde gekommen und hatte angefragt, ob er sie unter vier
Augen sprechen könne.
Da er nicht
wußte, wie er sein Anliegen in Gegenwart ihres jungen Ehemannes vorbringen
sollte, hatte er mit Erleichterung reagiert, als sich zeigte, daß Jason nicht
zu Hause war.
Velvet
hatte Balfour und die zarte, in einen Umhang gehüllte Gestalt, der er aus
seiner Kutsche geholfen hatte, in den Salon
gebeten. Während sie vom Earl erfuhr, daß Avery Sinclair noch niederträchtiger
war, als sie
Weitere Kostenlose Bücher