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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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nachdem sie Regis in der Bibliothek gefunden hatte, und vielleicht saß Honor im Labyrinth, um sich für die bevorstehende Aussprache mit ihr zu sammeln.
    »Da ist deine Mutter«, sagte John.
    »Habe ich schon bemerkt.«
    »Sie kann uns aber nicht sehen, hier oben im Schatten. Komm, gehen wir zu ihr, damit sie weiß, dass mit dir alles in Ordnung ist.«
    »Tante Bernie hat es ihr bereits gesagt.«
    »Das ist nicht dasselbe, als wenn sie es mit eigenen Augen sieht. Sie wäre froh darüber.«
    »Ich dachte, du willst vielleicht mit ihr alleine sprechen.«
    John blickte sie überrascht an und wurde rot.
    »Sie möchte
dich
sehen«, meinte er.
    »Dad.« Regis drückte seine Hand. »
Dich
auch. Außerdem musst du ihr beibringen, warum Chris Kelly hier ist.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich habe gehört, wie du zu ihm gesagt hast, dass er noch gebraucht wird. Du wusstest, was ich zu sagen hatte, oder?«
    »Ich hatte es befürchtet.« Er berührte ihre Wange. »Aber ich war mir nicht sicher.«
    »Stecke ich in großen Schwierigkeiten?«
    Er schüttelte den Kopf – was sonst. Das war typisch für ihren Vater, er versuchte stets, sie vor dem Schlimmsten zu bewahren. Doch wie auch immer, sie war froh, dass ihr Erinnerungsvermögen zurückgekehrt war. Damit alle der Wahrheit ins Gesicht sehen konnten.
    Und wieder einen Weg zueinander fanden.

[home]
    28. Kapitel
    S chwester Bernadette saß neben Brendan McCarthy und sah zu Boden, auf seine Schuhe. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu, mehr noch als seine blauen Augen, seine schmalen Hände oder seine wache Intelligenz und Einfühlsamkeit, die mit jedem Wort zum Ausdruck kamen.
    »Sie sehen also, als ich bei Catholic Charities herausgefunden hatte, dass meine Mutter als Adresse Star of the Sea angegeben hatte und der Familienname meines Vaters Kelly lautete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen«, fuhr er fort und legte ihr damit seinen »Fall« dar.
    »Aha, das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Bernie, unfähig, ihren Blick von den Schuhen zu lösen. Es waren braune, abgetragene Halbschuhe. Vermutlich Größe 42 oder 43; mittelgroß, genau wie Brendan.
    »Ich habe erst vor wenigen Jahren mit der Suche begonnen«, sagte er.
    »Soso.« Sie dachte an ihren Sohn; wie er als Säugling ausgesehen hatte. Sie hatte ihn am Tag der Geburt im Arm halten dürfen, hatte ihm die Flasche gegeben, in seine Augen geschaut, seine Füße bestaunt – winzige Füße, perfekt geformt, mit zehn winzigen, perfekt geformten Zehen, die sie geküsst hatte. Im Lauf der Jahre hatte sie sich seine ersten Gehversuche ausgemalt. Als sie nun Brendans Füße betrachtete, stellte sie sich vor, wie er die ersten Schritte machte, seine Schuhe zuzubinden lernte.
    »Ja. Ich fand es unfair meinen Eltern gegenüber. Den Eltern, die mich großgezogen hatten.«
    »Und was hat dich umgestimmt?«
    Er dachte nach. »Es war in mir drin und hörte nicht auf. Ich hatte das Bedürfnis, die Menschen kennenzulernen, die mir das Leben geschenkt haben. Was nicht bedeutet, dass ich meine Adoptiveltern deshalb weniger liebe.« Er hielt inne. »Sie trinken. Mehr als ihnen guttut. Eine Zeitlang haben sie sich zusammengerissen, meinetwegen, doch als ich von zu Hause wegging, aufs College kam und Geld verdienen musste, wurde es schlimm mit ihnen. Sie hatten keinen Halt mehr.«
    »Der Kummer über den Verlust deines Bruders muss schrecklich für sie gewesen sein. Für euch alle.«
    »Ja. Ich mache ihnen deswegen keinen Vorwurf. Sie haben ihn sehr geliebt.«
    »Das bedeutet nicht, dass sie dich nicht ebenfalls lieben.«
    »Ich weiß. Ich möchte sie nicht verletzen. Aber sie waren – nicht da. Abwesend, obwohl wir im selben Raum saßen und uns miteinander unterhielten. Ich dachte, sie würden es nicht einmal bemerken, wenn ich mich auf die Suche nach meinen leiblichen Eltern machte.«
    »Und diese Suche hat dich hergeführt.«
    »Ja.«
    Als Bernie den Blick hob, aufschaute von diesen abgetragenen, braunen Halbschuhen zu seinen klaren, intelligenten, strahlend blauen Augen, entdeckte sie Tom, der unmittelbar hinter Brendan stand. Vielleicht hatte er schon eine ganze Weile dort gestanden, im Hintergrund, und schweigend zugehört. Nun trat er näher.
    »Hallo.« Tom starrte Brendan an, als wollte er sich jede Einzelheit einprägen – seine Gesichtsform, die unzähligen Sommersprossen, der leicht schiefe, untere Schneidezahn.
    »Hallo«, erwiderte Brendan, mit einem Mal befangen, obwohl er gerade noch aufgeschlossen, offen

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