Wie Sand in meinen Händen
war.
»Regis!«, rief John, aber sie war nicht aufzuhalten. Nichts und niemand kann sie aufhalten, hätte Honor am liebsten gesagt. Regis fühlte sich stets zu Orten hingezogen, an denen sie nichts zu suchen hatte.
Es war eine Lektion, die ihr Vater ihr vor langer Zeit beigebracht hatte.
Das Licht war so grell. Die Behandlungsräume waren klein und durch Vorhänge voneinander getrennt, einige waren nicht zugezogen. Während Regis am Schwesternzimmer vorbeilief und den Gang entlang eilte, warf sie einen raschen Blick in jede Kabine, entdeckte einen alten Mann, eine junge Frau und ein Kind, aber keine Spur von Agnes. Trotz der späten Stunde schienen alle Ärzte und Krankenschwestern mit der Versorgung der Patienten beschäftigt zu sein. Niemand hielt sie auf, obwohl sie ein T-Shirt und ihre Pyjamahose mit Zugband trug – alles durchnässt und voller Sand, weil sie sich auf den Strand gekniet und über Agnes gebeugt hatte.
Als sie zur letzten Kabine gelangte, sah sie Füße, die sich hinter dem geschlossenen Vorhang bewegten. Zögernd lugte sie durch den Spalt. Sie sah ihre Schwester und neben ihr zwei Ärzte, von denen einer ihr mit einem Licht in die Augen leuchtete. Agnes lag regungslos da, den Kopf bandagiert. Vermutlich war sie wieder bewusstlos, denn der Arzt musste ihre Augenlider offen halten.
Regis ging mit klopfendem Herzen hinter einem Wäschekarren in Deckung. Am liebsten wäre sie schnurstracks in die Kabine gegangen, aber sie wusste, dass sie den richtigen Moment abpassen musste. Ein paar Minuten später hörte sie, wie die Ärzte auf den Gang hinaustraten, und stahl sich hinter den Vorhang.
Agnes’ Augen waren geschlossen. Sie hatte einen Turban aus Gaze auf dem Kopf. Auf dem Boden lag ein Haufen geschorener Haare und blutiger Gazetupfer. Die Gitter des Bettes waren hochgezogen, aber Regis langte hinüber und ergriff die Hand ihrer Schwester. Sie fühlte sich eiskalt an, obwohl Agnes in Wärmedecken eingepackt war.
»Hallo Agnes. Wach auf«, flüsterte Regis.
Als sich ihre Schwester nicht rührte, beugte sich Regis zu ihr hinunter. »Hast du ihn gesehen? Dad ist zu Hause. Er ist wirklich wieder da«, flüsterte sie ihr ins Ohr.
Agnes’ Lippen zuckten.
Regis war fest überzeugt, dass ihre Schwester zu lächeln versuchte. Ihre Augenlider flatterten. Sie öffnete die Augen – schien ihre Umgebung wahrzunehmen.
»Regis«, krächzte Agnes.
»Gott sei Dank, du bist wach!«
»Wie hast du mich … gefunden?«
»Cece ist dir nachgegangen.«
»Entschuldigung, was machen Sie hier?«, ertönte plötzlich eine zornige Stimme.
Regis’ Kopf fuhr herum, sie blickte über ihre Schulter, ohne die Hand ihrer Schwester loszulassen. Ein Pfleger stand vor ihr, mit flammend roten Haaren und blauen Augen, in einem ausgebeulten blauen Krankenhauskittel. »Das geht schon in Ordnung, ich bin ihre Schwester.«
Er starrte sie an, als würde er sie von irgendwoher kennen. »Sie braucht absolute Ruhe«, sagte er schließlich. »Eine Kopfverletzung ist kein Pappenstiel. Nur noch ein paar Minuten, okay? Von mir haben Sie nichts zu befürchten, aber irgendjemand könnte auf die Idee kommen, den Sicherheitsdienst zu rufen.«
»Sie braucht mich.«
»Verstehe. Trotzdem, nur noch ein paar Minuten. Was sie jetzt am meisten braucht, ist Schlaf.«
»Danke …« Regis unterbrach sich, um sein Namensschild zu lesen. »Brendan. Meine Schwester und ich stehen uns sehr nahe, haben von klein auf ein Zimmer miteinander geteilt. Bis zum letzten Jahr, als ich aufs College kam.«
»Wenn du erst verheiratet bist, werdet ihr ohnehin nicht mehr ständig zusammen sein.«
»Was?«, fragte sie erschrocken.
Er deutete auf ihren Verlobungsring. »Nach deiner Hochzeit.« Er trat näher, zog Agnes die Decken bis unter das Kinn. Eine Geste, die beschützend und liebevoll wirkte. Regis dachte an Peter, fragte sich, ob er genauso fürsorglich wäre.
»Sie sollte sich wirklich ausruhen. Ich verspreche dir, dass ich mich gut um sie kümmern werde. Morgen kann sie Besuch viel besser verkraften.«
»Ich bin kein Besuch.«
»Ich weiß. Du bist ihre Schwester. Ich kann mich erinnern, wie das bei meinem Bruder und mir war. Trotzdem, gönn ihr noch ein bisschen Ruhe, ja?«
»Versprichst du, dass du gut auf sie aufpasst?«
»Ich verspreche es, hoch und heilig.«
»Sie heißt Agnes.«
»Ich weiß.« Er grinste, deutete auf das Krankenblatt. »Und du bist Regis. Ich habe gehört, wie sie dich beim Namen genannt hat.«
»Ja, so heiße
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