Wie Sand in meinen Händen
zerklüftete Halbinseln wie lange felsige Finger ins Meer ragten; an der Spitze der einen Halbinsel lag Ballincastle, und dort hatte das Wort »Zuhause« gestanden.
Tom und Bernie waren als Erste nach Irland geflogen. Sie hatten sich in Dublin verliebt – die Heimat der Kellys – und hatten John und Honor jede Woche Postkarten von Burgen, vom River Liffey und von Pubs mit üppigem Blumenschmuck geschickt. Honor malte nun langsamer und erinnerte sich, dass sie beim Lesen der Karten von irischer Romantik und Magie geträumt hatte.
Im Gegensatz zu John. Er hatte seine eigenen, geradezu zwanghaften Vorstellungen von der Schatulle und ihrer Bedeutung, die düster waren und der dunklen, verborgenen Seite seines Selbst entsprachen, die den Nährboden für seine Arbeit bildete. Der Gedanke an den Überlebenskampf und das Elend seiner Familie, an die Entscheidungen, zu denen sie sich gezwungen sahen, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, war immer stärker in den Vordergrund getreten, gepaart mit einer nie da gewesenen Wut und Erbitterung.
Die Hungersnot – es konnte nichts gedeihen, noch gab es genug zum Leben. Die Briten gegen die Iren – sei es um Nahrung, die Arbeit oder das Leben. Der Hunger hatte seinen Tribut gefordert, Johns Vorfahren waren ausgemergelt, schwach, bestanden nur noch aus Haut und Knochen. Sie hatten auf dem westlichsten Zipfel Irlands gelebt: Was mochten sie bei dem Gedanken empfunden haben, dass auf der anderen Seite des Ozeans, in Amerika, die Erlösung lag? Wie konnten sie ihre geliebte Heimat und ihre Familien verlassen – aber sie hatten keine andere Wahl gehabt. Und dann die Hungersnotschiffe – Familien, zusammengepfercht auf engstem Raum, Gestank, Krankheit, Tod. Sie hatten verloren, was sie liebten, mit jeder Meile, die sie zurücklegten.
John hatte immer gewusst, dass seine Installation auf einer Klippe stehen musste, am Rande Irlands – um zu symbolisieren, wie sich der junge Cormac, sein Urgroßvater, nach der gegenüberliegenden Küste gesehnt hatte, als er in Amerika an Land gegangen war.
Cormac Sullivan wurde am 1. August 1831 in West Cork geboren und starb am 14. November 1917 in Hartford, Connecticut. Er hatte in Irland als Steinmetz gearbeitet, für seinen Vater Seamus, der sein Handwerk während der großen Hungersnot erlernt hatte – eine Art der Arbeitsbeschaffung der Briten, denen das Leiden der Bevölkerung gleichgültig war. Jedes bisschen Stärke war in den Überlebenskampf geflossen, aber die Sullivans hatten sich dennoch als wahre Künstler in ihrem Steinmetzmetier erwiesen. Sie hatten Land gerodet, Steinmauern errichtet, eine eigene Steinmetzfirma gegründet und es in der ganzen Grafschaft und darüber hinaus zu Ansehen gebracht.
Als Seamus Sullivan eines Tages auf der Beara Peninsula in West Cork ein Stück Land an der Meeresküste gerodet hatte, war er buchstäblich auf Gold gestoßen. Das Land gehörte der Familie Dargan, die eine Farm auf Ballincastle Head besaß, und der Fund bestand aus einem goldenen Kelch und dem goldenen Ring mit dem roten Stein.
Er hatte der Familie den Schatz sofort übergeben. Aus Dankbarkeit hatte Mr. Dargan Seamus den Ring geschenkt – und ihm die Geschichte erzählt, die damit verbunden war.
Algerische und spanische Piraten waren gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts gen Norden gesegelt – mit der Armada und eigenen Flotten. Irland, das in den Atlantik hineinragte, war unwiderstehlich gewesen, und die Piraten hatten die gesamte Westküste belagert. Eine Gruppe hatte sämtliche Bewohner einer irischen Kleinstadt entführt und als Sklaven nach Algerien verschleppt.
»Dargan« leitete sich von »D’Aragon« her, und das äußere Erscheinungsbild der Familienmitglieder – schwarze Haare und blaue Augen, der dunkle irische Typus – war auf diese Eindringlinge zurückzuführen. Einige Piraten waren in der Gegend sesshaft geworden, hatten ihren Schatz in einer der zahlreichen Höhlen entlang der Felsenküste versteckt oder an markanten Stellen an Land vergraben. Die dunklen Mitglieder der Familie Dargan hatten Piratenblut in den Adern.
Während Seamus Sullivan auf dem Land der Dargans arbeitete, verliebte er sich in deren Tochter Emily. Sie war eine augenfällige Schönheit, und in einem Brief schwärmte er: »Sie hat schwarze Locken und blaue Augen, von der gleichen Farbe wie die Bantry Bay.« Da er sich als rechtschaffener Mann erwiesen hatte, wurde sein Antrag angenommen, als er um ihre Hand
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