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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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einen Stein bei ihr im Brett. Mein Vater ist derjenige, der überall Ruhm und Anerkennung erntet. Aber ich liebe ihre Bilder genauso.«
    »Sie ist wie eine Geschichtenerzählerin. Ihre Bilder, das heißt, diejenigen, die ich auf der Website der Künstlerkolonie von Black Hall gefunden habe, könnten Illustrationen sein, denn sie erzählen alle eine phantastische Geschichte.«
    »Deine auch. Und du bist sicher, dass du Arzt werden willst? Bei deinem künstlerischen Talent?«
    »Ein Arzt, der sich die Geschichten seiner Patienten anhört und versucht, das Gesamtbild zu erkennen, das sich dahinter verbirgt. Ich denke, Psychiater müssen auf ihre Weise Künstler sein. Ich habe mit dem Malen angefangen, bevor ich auf die Idee kam, Medizin zu studieren. Kunst und Geschichten sind für mich Möglichkeiten, die eigene innere Kraft zu entdecken … Beides gehört zusammen …«
    »Wie mit meinem Bild«, murmelte Agnes.
    »Dein Bild?«
    »Das Foto, das ich an dem Abend aufgenommen habe, als ich gestürzt bin. Ich wollte festhalten …« Sie verstummte, sah verlegen aus.
    »Deine Vision?«
    »Du glaubst mir?«
    »Ich verstehe gut, was du meinst, Agnes. Wenn man nicht mehr aus noch ein weiß, sucht man sich Hilfe, das ist völlig natürlich. Mir ging es genauso, als Paddy erkrankte; ich habe mir vorgestellt, dass sein Schutzengel über ihn wachte. Das hat mir sehr geholfen.«
    »Meinst du, dass man sich so etwas einbilden kann?«, fragte sie, besorgt, er könnte versuchen, ihr den Glauben an eine höhere Macht auszureden. »Dass es Visionen gibt, und Schutzengel?«
    »Ganz im Gegenteil.« Sein Lächeln war strahlend. »Ich bin sicher, dass es sie gibt. Sie helfen uns, unseren Weg zu finden.«
    »Unseren Weg«, murmelte sie und sah ihn an. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, weil sie wusste, dass er sie verstand. Sie schloss die Augen und dachte an die Bilder auf seinem Wagen: Menschen, Tiere, Ungeheuer, die alle ihren Weg gingen und ungewöhnliche Mittel benutzten, um an ihr Ziel zu gelangen.
    Als sie das Eingangstor der Akademie erreichten, sagte Brendan, mit Blick auf das Schild: »Aha, Star of the Sea.«
    »Als meine Eltern klein waren, hieß das Anwesen noch Stella Maris«, erklärte sie.
    »Hast du übrigens deine Kamera dabei?«
    »Nein. Sie ist in meinem Zimmer. Komm mit, ich zeige dir das Bild, das ich aufgenommen habe.«
    Er nickte. Offensichtlich erinnerte er sich an neulich Nacht, denn er folgte der gewundenen Zufahrt, vorbei an den bunt zusammengewürfelten Steingebäuden, dem Konvent und dem Schulbereich, um die Kapelle mit dem silbernen Schieferdach und dem steil aufragenden Turm herum, durch die dichten, duftenden Weingärten und an der höchsten Steinmauer entlang bis zu Agnes’ Haus, das sich in eine Mulde schmiegte.
    Ihr Herz klopfte, als ihr Blick auf die Tür fiel – bald würde ihr Vater da sein, eintreten, von seiner Familie begrüßt werden und zum Essen Platz nehmen. Sie hatte lange auf diesen Abend gewartet. Als sie aus dem Wagen stieg, hielt sie nach ihren Schwestern Ausschau – doch weit und breit war keine Spur von ihnen zu sehen. Ihr Blick fiel auf das Bild von der weißen Katze, das Brendan gemalt hatte – sie saß auf einer Steinmauer, in die Betrachtung des Vollmonds vertieft.
    Sie öffnete die Eingangstür; eine kühle Brise wehte durchs Haus. Die Fenster, die auf den Sund hinausgingen, waren geöffnet, die weißen Vorhänge flatterten. Sisela, die alte Katze, lag auf dem Bücherregal und döste.
    »Das ist Sisela«, sagte Agnes.
    »Hallo.« Brendan trat vorsichtig näher und streckte die Hand nach ihr aus.
    Sisela rollte sich auf die Seite und ließ zu, dass er ihre Kehle streichelte. Agnes stand regungslos da und sah zu. Sisela war Fremden gegenüber normalerweise nicht so zutraulich. Konnte es sein, dass sie Brendan schon einmal begegnet war?
    »Oje.« Agnes schwankte. Plötzlich spürte sie, wie ihre Knie nachzugeben drohten; Brendan eilte herbei, geleitete sie zum Sofa und half ihr, sich hinzulegen.
    »Sisela ist im Allgemeinen ziemlich scheu«, sagte Agnes. »Ich habe keine Ahnung, was in sie gefahren ist. Habt ihr zwei euch angefreundet, als du das letzte Mal hier warst?«
    Brendan antwortete nicht. Er war nahtlos in die Rolle des Pflegers geschlüpft und fühlte verstohlen ihren Puls. Offenbar entging ihm, dass sich ihr Herzschlag bei seiner Berührung beschleunigte. Sie blickte ihn an, sah, wie er sich darauf konzentrierte, die Pulsschläge zu zählen. Seine blauen Augen waren

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