Wie Sand in meinen Händen
Sommer für den Junggesellinnenabschied ihrer Schwester geplant hatte. Auch wenn ihr die Verlobung nicht behagte, musste sie versuchen, ihren Frieden damit zu schließen.
Die Klimaanlage im Supermarkt machte die Luft eiskalt. Sie schauderte, schwankte leicht. Plötzlich packte jemand ihren Arm und stützte sie.
»Geht schon«, sagte sie, in der Annahme, es sei ihre Mutter. Als sie den Blick hob, stand Brendan vor ihr.
»Oh! Du bist es!«, rief sie. »Wir waren gerade im Krankenhaus; ich habe nach dir Ausschau gehalten.«
»Heute ist mein freier Tag. Wie war die Nachuntersuchung?«
»Der Doktor hat sich die Naht angesehen. Und noch einmal Röntgenaufnahmen gemacht. Alles in Ordnung.« Sie berührte ihren Kopf, um sich zu vergewissern, dass die Schirmmütze die Schneise bedeckte, die sich durch ihre langen dunklen Haare zog.
»Kind, du bist so blass«, sagte Honor, als sie mit einem großen Paket Mehl den Gang entlangkam. Sie blieb abrupt stehen und musterte Agnes.
»Finde ich auch. Hallo, Mrs. Sullivan«, sagte Brendan.
»Hallo Brendan.«
»Das liegt nur daran, dass ich seit der Kopfverletzung zum ersten Mal wieder außer Haus bin«, sagte Agnes und stützte sich auf den Einkaufswagen.
»Möglich«, meinte Honor. »Komm, wir lassen die Sachen stehen, und ich bringe dich heim.«
»Mrs. Sullivan, ich fahre sie gerne nach Hause«, erbot sich Brendan. »Und Sie können in aller Ruhe Ihre Einkäufe erledigen.«
Agnes’ Herz machte einen Sprung, und sie blickte ihm in die Augen. Sie war aufgekratzt, wenn nicht sogar voller Tatendrang. Als sie spürte, wie ihre Mutter zögerte, lächelte sie. »Es ist wirklich alles in Ordnung, Mom. Ich bin nur müde.«
»Ich werde gut auf sie achtgeben«, versprach Brendan.
Honor nickte; vielleicht erinnerte sie sich an die Zeit im Krankenhaus, wie gewissenhaft er sich in den kritischen vierundzwanzig Stunden nach dem Sturz um Agnes gekümmert hatte. Agnes erschien diese Zeit wie ein Traum: Bilder, die an ihr vorüberzogen – wie er ihre Temperatur maß, ihr zusätzliche Decken brachte, an ihrem Bett saß, bis sie eingeschlafen war.
»Also gut«, sagte Honor. »Danke, Brendan. Aber fahren Sie Agnes bitte umgehend nach Hause.«
»Mache ich.«
»Und du legst dich hin«, fügte sie hinzu, den Blick auf Agnes gerichtet. »Sobald du daheim bist.«
Agnes küsste sie. Trotz aller Besorgnis, die in ihrer Ermahnung mitschwang, schienen die Augen ihrer Mutter zu strahlen, was sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte.
Brendan legte den Arm um Agnes und geleitete sie über den Parkplatz zu seinem Wagen – dem surrealistisch anmutenden, über und über bemalten Auto, das sie neulich gesehen hatte. Die Temperatur betrug hier draußen an die dreißig Grad und löste ein Schwächegefühl bei ihr aus.
Doch bevor sie einstieg, musste sie einen kurzen Blick auf die Bilder werfen: fliegende weiße Wale, Bären auf Fahrrädern, ein kleines Mädchen beim Radschlagen quer über einen See, Schwäne, die sich küssten, ein Junge, der auf einem Drahtseil zwischen den Sternen balancierte.
»Steig lieber ein«, ermahnte Brendan sie sanft. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dich schnell nach Hause zu bringen.«
»Ich möchte mir nur noch die Bilder anschauen.« Sie konnte sich nicht sattsehen: Füchse in einem grünen Ruderboot, Delphine, die einen schneebedeckten Hügel hinunterrutschten, einen Jungen, der auf einem Meerungeheuer ritt, und eine weiße Katze auf einer dunklen Steinmauer. Doch die Hitze war unerträglich, sie fühlte sich ziemlich ermattet. Brendan hielt ihr die Tür auf, also nickte sie und stieg ein.
Das Fahrzeug war alt, die Ledersitze an den Nähten aufgerissen. Auf dem Armaturenbrett lag eine Baseballkappe. An dem langen Schalthebel hing Weihnachtsschmuck. Brendan betätigte die Zündung, und der Motor sprang stotternd an.
»Wer hat deinen Wagen bemalt?«, fragte Agnes.
»Ich.«
»Du bist gut.«
»Danke. Ich weiß das Kompliment zu schätzen, vor allem von jemandem, der so künstlerisch veranlagte Eltern hat.«
»Meine Eltern sind dir ein Begriff?«
Er nickte. »Einer der Ärzte im Krankenhaus hat uns erzählt, dass dein Vater berühmt ist. Ich habe mich daraufhin kundig gemacht. Seine Fotografien sind einzigartig. Aber die Bilder deiner Mutter finde ich fast noch schöner. So, wie sie in ihren Porträts das Wesentliche eines Menschen erfasst …« Er verstummte.
Agnes lachte. »Das solltest du ihr persönlich sagen. Du hättest bis an dein Lebensende
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