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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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Überprüfung mit. Er erhielt es erst im März, also vier Monate später, mit Korrekturvorschlägen zurück: Er hätte unter anderem das Wort fortune , Schicksal, verwendet, wurde kritisiert. Ein kirchlicher Beamter sagte ihm allerdings, die Einwände seien nicht sehr gravierend und der französische Ordensbruder, der die Korrekturvorschläge gemacht hatte, nicht sonderlich kompetent. «Ich hatte den Eindruck, dass sie mit mir sehr zufrieden waren», notierte Montaigne in sein Reisetagebuch. Selbstverständlich ignorierte er alle Vorschläge. Einige Autoren haben Montaignes Widerstand gegen die Inquisition als heldenhaft hervorgehoben, aber er musste nicht zu einem Galileo Galilei werden, um diese Prüfung zu bestehen.
    Trotzdem vermittelten ihm diese Begegnungen einen schlechten ersten Eindruck von Rom, und er spürte ein Klima der Intoleranz. Gleichwohl war es für ihn eine kosmopolitische Stadt. Römer zu sein bedeutete, Weltbürger zu sein, und das erstrebte auch Montaigne. Deshalb ersuchte er um das römische Bürgerrecht – eine Ehre, die ihm am Ende seines viereinhalbmonatigen Aufenthalts gewährt wurde. Seine Freude darüber war so groß, dass er den Wortlaut der Urkunde im Kapitel «Über die Eitelkeit» in den Essais vollständig wiedergab: ein Akt der Eitelkeit, was ihn aber weiter nicht bekümmerte. «Gewiss, es ist ein bloßer Titel – trotzdem hat es mich sehr gefreut, ihn zu erhalten.»
    Rom war so groß und vielgestaltig, dass man unendlich viele Dinge tun konnte. Montaigne lauschte Predigten und theologischen Disputationen.Er besuchte die Vatikanische Bibliothek, und da er Zugang zu Bereichen hatte, die selbst dem französischen Botschafter verschlossen blieben, erhielt er Einsicht in wertvolle Abschriften von Werken der von ihm bewunderten Seneca und Plutarch. Er wohnte einer Beschneidung bei, spazierte durch Parks und Weinberge und unterhielt sich mit Prostituierten. Er bemühte sich, das Geheimnis ihres Gewerbes zu ergründen, erfuhr aber nur, dass sie sogar für Gespräche viel Geld verlangten, was vermutlich eines ihrer Geheimnisse war.
    Montaigne besuchte aber auch eine Audienz bei dem achtzigjährigen Papst Gregor XIII. Der Sekretär beschrieb den Ablauf des Zeremoniells in allen Einzelheiten. Montaigne und einer seiner jugendlichen Reisebegleiter betraten das Zimmer, in dem der Papst saß, und beugten die Knie in Erwartung des päpstlichen Segens. Dann gingen sie auf ihn zu, aber nicht quer durchs Zimmer, sondern eher die Wand entlang. In der Mitte des Zimmers knieten sie erneut nieder, um den zweiten Segen zu empfangen. Dann setzten sie ihren Weg sieben, acht Schritte weiter fort – bis zu einem zu Füßen des Papstes liegenden Samtteppich, an dessen Rand sie sich nun auf beide Knie niederbeugten. Der französische Gesandte vor ihnen, der sie dem Heiligen Vater vorstellte, «schlug das Gewand des Papstes vor dessen rechtem Fuß so zurück, dass ein roter Pantoffel mit einem weißen Kreuz zum Vorschein kam». Die Knienden rutschten jetzt nacheinander bis zum Fuß des Papstes vor und beugten sich hinunter, um diesen zu küssen. Montaigne sagte später, der Papst habe die Fußspitze ein wenig angehoben, um es ihm bequemer zu machen. Nach dieser fast erotischen Übung bedeckte der französische Gesandte den Fuß des Papstes wieder, setzte sich auf seinen Platz zurück «und sagte ihm, was zur Empfehlung der Herren […] dienlich schien». Der Papst segnete sie und sprach gleichfalls ein paar Worte; Montaigne ermahnte er, der Kirche auch in Zukunft treu zu bleiben. Dann erhob er sich zum Zeichen, dass die Audienz beendet war. Die Besucher verließen rückwärts den Saal und blieben erneut zweimal stehen, um einen weiteren Segen zu empfangen. Später ließ Montaigne seinen Sekretär notieren, der Papst spreche «ein Italienisch, das seine Herkunft aus dem Dialekt Bolognas erkennen lässt, dem schlechtesten im ganzen Land». Er sei «im Übrigen aber […] ein sehr schöner Greis von mittlerer Größe und gradgewachsen, mehr als achtzigjährig,das Gesicht hoheitsvoll, langer weißer Bart, für sein Alter von erstaunlicher Gesundheit und einer Rüstigkeit, die nichts zu wünschen lässt: ohne Gicht, ohne Nierenkoliken, ohne Magenbeschwerden oder irgendwelche andren Gebrechen» – ganz im Unterschied zu dem von seinem Nierenleiden gepeinigten Montaigne. Er schien «von sanftem Wesen, sich wenig um die weltlichen Geschäfte kümmernd» und damit Gott entweder sehr ähnlich oder sehr unähnlich, je

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