Wie Tau Auf Meiner Haut
weiter
südlich war das Klima ein ganz anderes, überhaupt war es eine ganz andere
Welt.
Sie hatte schon bald erkannt, dass sie ihr Vorhaben nicht alleine durchführen
konnte. Es fiel ihr nur eine einzige Person ein, die sie anrufen konnte.
Harmony hörte ruhig zu, als Grace sie darum bat, mit ihr zusammen für eine
unbegrenzte Zeit nach Schottland zu reisen.
»Schottland«, meinte sie schließlich. »Die malen doch heute ihre Gesichter nicht
mehr blau an, oder? «
»Nur noch im Film.«
»Ich habe keinen Pass.«
»Den kannst du schnell bekommen, sofern du eine Geburtsurkunde hast.«
»Du sagtest doch, dass du meine Hilfe für irgend etwas brauchtest. Vielleicht
könntest du dein Vorhaben ein klein wenig deutlicher beschreiben.«
»Wenn du mitkommst, ja«, erwiderte Grace.
»Ich werde es mir überlegen. Ruf mich in ein paar Tagen noch mal an.«
Grace ließ Harmony drei Tage Zeit, dann rief sie erneut an. »Also«, begann
Harmony. »Wenn ich mitkäme, würde ich dann etwas Illegales tun? «
»Nein, das glaube ich nicht.« Da Grace jedoch nicht wusste, was ihr bevorstand,
konnte sie nicht garantieren, dass sie das Gesetz nicht überschreiten würde.
»Ist es gefährlich? «
»Ja.«
Harmony seufzte. »Klingt ja wirklich sehr verlockend«, knurrte sie. »Wie lange
würde ich denn weg sein? Wie du weißt, muss ich mich um dieses Haus hier
kümmern.«
»Genau kann ich es nicht sagen. Ein paar Tage, vielleicht auch ein paar Wochen.
Ich werde alles bezahlen...«
»Wenn ich mitkommen sollte, dann zahle ich meine Reise selbst. Wenn es mir
dann stinkt, bin ich zu nichts verpflichtet und kann gehen.« Sie schwieg einen
Augenblick, und Grace hörte das Trommeln ihrer Fingernägel am Telefonhörer.
»Eine Frage hätte ich aber noch.«
»Ich höre.«
»Wie heißt du wirklich? «
Grace zögerte. Es kam ihr merkwürdig vor, ihren eigenen Namen auszusprechen.
Sie hatte ihn in all den Monaten nur die paar Mal aus Kris' Mund gehört. Sie hatte
schon so viele verschiedene Namen gehabt, dass sie manchmal gar keine
Identität mehr zu haben glaubte. »Grace«, sagte sie leise. »Grace St. John. Aber
ich werde unter dem Namen Louisa Croley reisen, denn so steht es auch in
meinem Pass und in meinem Führerschein.«
»Grace.« Harmony seufzte. »Mist. Wenn du mich angelogen hättest, dann hätte
ich nein sagen können.«
Es hatte lange gedauert, Creag Dhu überhaupt zu finden. Grace und Harmony
hatten sich bereits eine gute Woche in Edinburgh aufgehalten, ehe sie überhaupt
den Namen ausfindig machen konnten. Die Burg lag in einem so entlegenen Teil
der westlichen Highlands, dass sie praktisch nicht zu erreichen war. Während
Grace Erkundigungen einzog, besichtigte Harmony Edinburgh. Sie besichtigte die
Festungsmauern, sie besichtigte das Holyrodhaus, sie machte Tagesausflüge
nach St. Andrews und nach Perth. Erst nachdem sie in Edinburgh angekommen
waren, hatte Grace Harmony überhaupt in ihr Vorhaben eingeweiht. Harmony
hatte sie ausgelacht. Aber als Grace unbeirrt mit ihren Vorbereitungen fortfuhr,
hatte Harmony sich seufzend in ihr Schicksal ergeben. Und als sie von Ford und
Bryant hörte, war ihr das Lachen ganz vergangen. Als sie alles vorbereitet
hatten, fuhren sie mit einem von Grace angemieteten Auto in ein kleines Dorf,
fünf Meilen von dem angeblichen Standort von Creag Dhu entfernt. Die einzige
Unterkunft waren private Zimmer, in die sie sich auch einmieteten. In der
Dorfkneipe wurde gerne geklatscht. Harmony stand inmitten der trinkfesten
Schotten an der Bar ihren Mann, im Gegenzug beantworteten sie ihre Fragen. Ja,
ein schicker Amerikaner war vor zwei Monaten hier aufgetaucht und wollte einen
riesigen Stein ausheben. Erst hatte ihn das stürmische Wetter etwas in seinem
Vorhaben behindert, da der Boden matschig geworden war und man so den Ort
nur schlecht erreichen konnte. Aber jetzt war das Wetter besser geworden, und
man hatte gehört, dass er große Fortschritte machte.
»Er wird nicht mehr lange brauchen, bis er ihn gefunden hat«, erwiderte Grace,
nachdem ihr Harmony von ihren Gesprächen erzählt hatte. »Ich darf nicht länger
warten, ich muss gehen.«
»Du tust gerade so, als ob die Sache mit einer Rückreisegarantie versehen
wäre«, meinte Harmony leicht verstört. »Wahrscheinlich wirst du ohnehin nichts
weiter ausrichten, als deinem Hintern einen riesigen Stromschlag zu versetzen.«
»Möglich«, erwiderte Grace. Wenn sie vernünftig darüber
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