Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
Vom Netzwerk:
umzubringen.«
    »Das hoffst du«, knurrte Harmony mit wachsender Beunruhigung.
    »Wenn es aber klappen sollte, dann bin ich mir nicht sicher, ob ich all diese
    Sachen mitnehmen kann oder ob ich nicht plötzlich splitternackt dastehen werde.
    Wenn die Sachen nicht mitkommen, trage sie bitte wieder ins Dorf zurück und
    mach damit, was du willst.«
    »Klar doch. Ich wollte schon immer ein Samtkleid haben, das mir drei Größen zu
    eng und dreißig Zentimeter zu kurz ist.«
    »Den Laptop lasse ich auf jeden Fall hier. Ich habe meine Notizen von der
    Festplatte gelöscht, aber mein Tagebuch ist noch da. Ich habe alles
    aufgeschrieben. Falls mir etwas zustößt und ich nicht wieder hierher
    zurückkomme...« Sie zuckte mit den Schultern. »Dann gibt es immerhin
    Aufzeichnungen über alles, was vorgefallen ist.«
    »Wie lange soll ich denn deiner Meinung nach warten? « schnaubte Harmony
    wütend.
    »Keine Ahnung. Das überlasse ich ganz dir.«
    »Verflucht noch mal, Grace! « Harmony wandte sich ihr mit rot angelaufener,
    zorniger Miene zu. Dann aber schüttelte sie nur den Kopf. »Ich kann dich

    irgendwie gar nicht mehr erreichen, nicht wahr? Du bist mit dem Kopf bereits
    ganz woanders.«
    »Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst. Ich verstehe es ja selbst nicht.«
    Der Wind presste das Kleid gegen ihren Körper und wehte ihr das Haar aus dem
    Gesicht. Unter ihr dehnte sich das Tal aus, aber ihr Blick war in die Unendlichkeit
    gerichtet. »Es ist jetzt ein Jahr her, seit Ford und Bryant ermordet wurden. Bis
    heute habe ich keine Träne über ihren Tod vergießen können. Es scheint mir fast,
    als ob ich es noch nicht verdient habe, weil ich noch nichts getan habe, um ihren
    Tod zu rächen.«
    »Zum Weinen hattest du einfach keine Zeit«, meinte Harmony mit rauer Stimme.
    »Du warst viel zu sehr damit beschäftigt, überhaupt am Leben zu bleiben.«
    »Ich habe noch niemals ihre Gräber besucht. Sechs Monate habe ich wieder in
    Minneapolis gelebt, aber ihre Gräber habe ich nicht besucht und habe keine
    Blumen darauf abgelegt.«
    »Das war auch gut so, denn dieser verdammte Parrish hat sicher ein paar Leute
    auf den Friedhof angesetzt. Da hätten sie dich mit Sicherheit schnappen
    können.«
    »Schon möglich. Aber ich hätte noch nicht einmal dann gehen können, wenn ich
    mir um meine Sicherheit keine Sorgen hätte machen müssen. Vielleicht gelingt
    es mir ja, wenn ich wieder zurückkomme.«
    Mit diesen Worten war alles zwischen ihnen gesagt. Harmony umarmte sie. Ihre
    grünen Augen waren feucht. Dann lief sie, ohne sich noch einmal umzudrehen,
    davon.
    Grace setzte sich auf den Felsen, klappte den Laptop auf und schaltete ihn an.
    Sie öffnete ihr Tagebuch und versuchte, sich zu sammeln. Aber es war zwecklos,
    ihre Gedanken schossen ihr wie Schwalben durch den Kopf. Schließlich hörte sie
    auf, nachzudenken und fing zu schreiben an.
    »17. Mai - Rache kann ein ganzes Leben ausfüllen. Das war mir bisher noch nicht
    klar gewesen, aber bisher habe ich auch noch niemals gehasst. Ich war glücklich
    und zufrieden, und einen Moment später hatte ich alles verloren. Von einem
    Augenblick zum nächsten ist mein ehemals sicheres, normales, ja sogar ganz
    und gar gewöhnliches Leben den Bach heruntergegangen. Ich habe alles
    verloren. Meinen Mann, meinen Bruder... beide habe ich verloren.
    Merkwürdig, wie schnell sich alles ändern kann. Wie sich ein ganz normales
    Leben binnen einer Sekunde in Entsetzen, Unglauben und lähmenden Schmerz

    verwandeln kann. Nein, ich habe nicht geweint. Ich habe den Schmerz in mir
    eingemauert. Die Wunde aber kann nicht heilen, weil ich mich nicht traue,
    meinen Schmerz herauszulassen. Ich muss mich auf das konzentrieren, was jetzt
    getan werden muss. Ich kann mir jetzt nicht den Luxus der Trauer über die
    leisten, die ich verloren habe. Wenn ich zusammenbreche, wenn meine
    Wachsamkeit auch nur ein wenig nachlässt, dann wird man auch mich
    umbringen.
    Ich fühle mich, als ob mein Leben eigentlich jemand anderem gehört. Irgend
    etwas ist gänzlich in Unordnung, aber was: das frühere oder mein jetziges
    Leben? Es scheint mir, als ob die beiden Hälften sich nicht zusammenfügen
    wollen, dass entweder die eine oder aber die andere gar nicht mein eigentliches
    Leben ist. Manchmal kann ich überhaupt keine Verbindung zu der Frau
    herstellen, die ich vor jener Nacht gewesen war.
    Davor war ich eine Ehefrau.
    Jetzt bin ich Witwe.
    Ich hatte eine Familie, klein aber mein, und sie hat mir

Weitere Kostenlose Bücher