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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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wusste, was gleich passieren würde, und schnappte
    immer wieder nach dem Blatt Papier. Aber jedes Mal entglitt es ihrem Zugriff und
    landete direkt in Parrishs Händen. Er betrachtete es und sagte grinsend: »Vielen
    Dank, Grace.« Dann richtete er seine Pistole auf sie und drückte ab. Und dann
    fing der Traum wieder von vorne an.
    Sie hatte auch von Niall geträumt und davon, wie sie sich geliebt hatten. Seine
    schwarzen Augen hatten sie durchdringend angesehen, als ob er wusste, dass sie

    die wertvollen Papiere nicht hatte ausreichend beschützen können. Aber er hatte
    seine Hand auffordernd nach ihr ausgestreckt, und sie war auf ihn zugegangen.
    »Komm zu mir«, hatte er gesagt. »Jetzt gleich.«
    Ein heftiger Schauder durchzuckte sie von Kopf bis Fuß. Ihr ganzer Körper
    zitterte. Ihre Knie wurden weich, und sie lehnte sich gegen die Duschwand.
    Durch ihre geöffneten Lippen drangen kleine Seufzer. Sie konnte sich des Gefühls
    nicht erwehren, in Stücke zu zerspringen. Irgendeine Kraft zog und zerrte an ihr.
    Sie riss die Augen auf. Die abgetakelten Duschwände schienen plötzlich zu
    glühen.
    Komm zu mir. Reise all die Jahre zurück, es sind sechshundertundfünfundsiebzig.
    Ich habe dir verraten, wie es geht. Komm zu mir.
    Die Stimme dröhnte in ihrem Kopf, gleichzeitig schien sie von außerhalb zu
    kommen. Es war Nialls Stimme. Aber dieselbe Stimme, die in ihren Träumen
    immer so unglaublich sinnlich war, war jetzt fest und befehlend.
    Komm zu mir.
    Langsam verglühte das Leuchten. Ihre Muskeln zitterten kaum noch, und sie
    stand wieder auf festem Boden. Kaltes Wasser rieselte auf sie herunter. Hastig
    stellte sie es ab, griff nach einem Handtuch und band es sich um die Haare. Mit
    einem zweiten rubbelte sie sich ab. Himmel, war ihr kalt! Wie lange hatte sie wie
    betäubt halluzinierend unter dem kalten Wasserstrahl gestanden? Beinahe hätte
    sie sich ernstlich unterkühlt.
    Aber sie hatte gar nicht halluziniert, dessen war sie sich sicher. Es war alles
    wirklich so gewesen. Es gab tatsächlich irgendeine fremde Macht, sie hatte sie
    gleich beim ersten Lesen der alten Dokumente gespürt. Aus diesem Grund war
    sie auf die Übersetzung auch so erpicht gewesen. Deswegen hatte sie die
    Dokumente und den Laptop auch dann mit sich herumgeschleppt, als das jede
    Menge Unbequemlichkeiten für sie bedeutet hatte. Sie hatte beides beschützt,
    obwohl es vernünftig gewesen wäre, beides im Stich zu lassen.
    Alles, was in den letzten acht Monaten geschehen war, hatte sie unweigerlich zu
    diesem Augenblick hingeführt: nackt und bibbernd in der Dusche eines
    Fernfahrermotels in Iowa zu stehen und einen klaren Entschluss zu fassen. Wenn
    es möglich wäre, dann musste sie die Zeitreise antreten. Parrish hatte das Blatt
    Papier. Vielleicht war es ja so vorherbestimmt, und sie konnte nichts dagegen
    unternehmen. Aber da er jetzt Bescheid wusste, musste sie ihn daran hindern,
    den Schatz zu plündern. Nur eine Möglichkeit stand ihr offen. Sie musste Niall

    dazu überreden, den Schatz woanders zu verstecken. Oder vielleicht -
    möglicherweise ein alberner Gedanke -, vielleicht sollte sie den Schatz finden und
    die Macht dazu nutzen, die Stiftung zu zerstören.
    Sie musste nach Creag Dhu - und zwar vor sechshundertundfünfundsiebzig
    Jahren.

    Kapitel 18

    Allmählich hatte sich im schottischen Hochland der Frühling ausgebreitet. Es war
    bereits Mai, und ein grüner Teppich lag über den Bergen. Die kühlen, nebligen
    Tage konnten ganz unvermittelt strahlender Sonne und einer so klaren Luft
    weichen, dass man fast geblendet wurde. Manchmal hörte man ein paar traurige
    Töne, das schwache Echo eines Dudelsacks, die einem die Tränen in die Augen
    trieben.
    Sie hatte vier Monate gebraucht, um hierher zu kommen. Erst war sie immer
    weiter nach Süden gefahren, dann hatte sie eine östliche Richtung
    eingeschlagen. Die Jahreszeiten hatten während ihrer Fahrt gewechselt, der
    Winter war immer mehr in den Hintergrund getreten, je weiter südlich sie
    gekommen war. In Tennessee schließlich hatte sie im Februar die erste Blume
    blühen sehen. Die Blüte der gelben Narzisse war ihr wie ein Wunder erschienen.
    Sie hatte die Fahrt beendet, sich ausgeruht und Pläne geschmiedet.
    Laut Meinung der Leute war einem milden Winter ein früher Frühling gefolgt. Die
    Narzissen blühten dieses Jahr ein paar Wochen früher als gewöhnlich. Der Winter
    in Minnesota war überhaupt nicht mild gewesen, aber achthundert Meilen

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