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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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überbrückenden Jahre errechnet hatte. Sie hatte so viel davon
    getrunken, dass sie schon ganz aufgeschwemmt war. Sie hatte die richtigen
    Lebensmittel gegessen und auf diese Weise allmählich die Zusammensetzung
    ihres Körpers verändert. Sie hatte sich seelisch vorbereitet und war mehrmals
    die Reihenfolge der notwendigen Vorgänge durchgegangen. Sogar das Wetter
    war auf ihrer Seite, ein Sturm trieb über das Meer langsam auf die Küste zu, so
    dass die Luft frisch und elektrisch geladen war. Der Sturm wäre zwar nicht
    unbedingt nötig gewesen, aber er war dennoch ein Glücksfall.
    Die Zeit war gekommen.
    Grace hob die grobe und feste Jutetasche auf, die sie sich selbst genäht hatte.
    Harmony und sie hatten trotz ihrer nur mangelhaften Nähkenntnisse auch die
    schweren, altmodischen Kleidungsstücke genäht, die sie jetzt trug. Aber die
    Kleidung am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts war ganz unkompliziert
    gewesen. Sie trug ein einfaches, recht formloses Baumwollkleid mit langen
    Ärmeln und einem runden Kragen. Darüber trug sie ein zweites, ärmelloses Kleid
    aus hochwertiger weicher Wolle. Das untere nannte man einen Kittel, das obere
    einen Übermantel. In ihrer Tasche hatte sie noch einen schweren Samtmantel,
    sollte sie einmal ihren Rang betonen müssen. Ein Stück Wollstoff lag ebenfalls
    gefaltet in ihrer Tasche, damit sie es gegebenenfalls als Schal benutzen konnte.
    Noch in Tennessee hatte sie vorausschauend ein Paar weiche Mokassins gekauft,
    deren weiches Leder sich an ihre Füße schmiegte. Sie trug lange, weiße
    Strümpfe, deren altmodische Strumpfbänder sie über dem Knie zusammenband.
    Sie hatte weder einen Büstenhalter noch ein Höschen an, denn damals hatte man
    so etwas wie Unterwäsche noch nicht getragen. Nirgendwo an ihrer Kleidung war
    ein Stück Gummi oder auch ein Markenschild zu finden, das Misstrauen hätte
    erregen können. Ihr langes Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, so wie sie

    es vor langer Zeit auch immer getragen hatte - vorher. Sie bedeckte ihren Kopf
    mit einem dicken Baumwollschal, dessen Enden sie im Nacken verknotete.
    Als einzige Wertgegenstände trug sie lediglich ein paar Schmuckstücke bei sich,
    und natürlich die Ohrringe und den Ehering, den sie auch während der Mordnacht
    getragen hatte. Sie hoffte, dass an ihrem äußeren Erscheinungsbild nichts
    Ungewöhnliches zu finden war. Der ihrer Leinentasche allerdings würde sie
    wegen Hexerei auf den Scheiterhaufen bringen, falls man sie damit erwischte.
    Der Sturm näherte sich mit dumpfem Grollen. Jetzt oder nie, dachte sie. Sie
    musste sich beeilen, so dass Harmony den Laptop noch vor dem Einsatz des
    Regens holen konnte, denn Regen wäre ihm nicht zuträglich.
    Vorsichtig stellte sie ihren Fuß auf den Druckschalter, den sie gebastelt hatte. Sie
    konnte gerade noch das Gleichgewicht halten, ohne darüber zu stolpern. Sie
    spürte die Elektroden an ihren Fußgelenken und fragte sich, wie sie das in den
    Zeiten ohne Elektroden und ohne Batterien bewerkstelligt hatten.
    Sie schloss ihre Augen, atmete gleichmäßig tief und konzentrierte ihre Gedanken
    auf den Schwarzen Niall. Sie hatte alle Dinge richtig vorbereitet und sollte
    demnach genau sechshundertundfünfundsiebzig Jahre zurückreisen, aber sie
    wollte zusätzlich eine Zielvorstellung vor Augen haben. Dieser Mann, der vor 675
    Jahren gelebt hatte, war das einzige ihr bekannte Ziel. Es gab keinerlei Porträts
    von ihm, noch nicht einmal eine dieser groben Zeichnungen, wie sie damals
    üblich gewesen waren. Sie hatte keine äußerlichen Anhaltspunkte. Sie konnte
    sich also nur wirklich auf ihn, auf sein innerstes Wesen, konzentrieren.
    Sie kannte ihn. Und wie sie ihn kannte. Monatelang hatte er sie verfolgt. Erst
    hatte er sie beim Entziffern der alten Dokumente gestört, dann war er in ihre
    Träume eingedrungen. Manchmal war sein Bild so deutlich gewesen, dass sie aus
    dem Schlaf aufgeschreckt war. Und immer - immer - hatte sie das Gefühl
    gehabt, er sei gerade eben tatsächlich bei ihr gewesen. Er hatte sie im Traum
    geliebt und ihre tief verschüttete Sinnlichkeit entfacht. Der Schwarze Niall war in
    mancherlei Hinsicht ihr Retter gewesen, denn er hatte ihr wieder Hoffnung
    gemacht. Die starke Persönlichkeit dieses außergewöhnlichen Mannes hatte
    mehrere Jahrhunderte bis zu ihr überbrückt. Irgendwie zog er sie an und
    bewahrte sie davor, in dem dunklen Loch der Verzweiflung ganz zu versinken.
    Zeitweilig war er ihr wirklicher erschienen als

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