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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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betete
    kurz, dass sie ihm keinen bleibenden Schaden zufügen möge, dann hob sie mit
    beiden zitternden Armen den Kerzenleuchter.
    Ihre Kleidung raschelte. Der Wachposten bewegte sich etwas, öffnete die Augen
    und blinzelte sie an. Dann klappte sein Mund auf, und Grace ließ das massive
    Metall auf die eine Seite seines Kopfes niederschmettern. Das Geräusch ließ sie
    rasselnd Atem holen. Wenn er etwas hatte sagen oder Alarm auslösen wollen, so
    hörte man jetzt nur noch ein dumpfes Knurren. Er fiel zur Seite und schloss die
    Augen.
    Blut rann ihm in die verfilzten Haare. Er war viel jünger, als sie das vermutet
    hatte, keine zwanzig Jahre alt. Seine verdreckten Wangen zeigten noch kindliche
    Rundungen. Tränen schossen ihr in die Augen. Dann aber wandte sie sich abrupt
    ab. Die Erfordernisse der Stunde drängten jede Reue beiseite.
    Von den drei Zellen war nur eine verriegelt. »Niall! « flüsterte sie und wollte den
    eisernen Riegel wegschieben. Wie sollte sie mit ihm reden? Heute hatte sie
    gelernt, dass gälisch für sie eine Unmöglichkeit war. Da er jedoch ein
    Tempelbruder war, würde er sicher französisch sprechen. Sie konnte sowohl
    Altenglisch als auch Altfranzösisch gut sprechen, aber Latein war die Sprache, die
    sich in all der Zeit nie verändert hatte. Also wählte sie Latein.
    »Ich bin gekommen, um dich zu befreien«, sagte sie leise, während sie sich mit
    dem Riegel abmühte. Himmel, war der schwer! Es kam ihr vor, als ob sie mit
    einem zwei Meter langen und dreißig Zentimeter dicken Baumstamm kämpfen
    musste. Sie rutschte an dem Holz aus, und ein Splitter drang tief in ihren kleinen
    Finger. Grace stieß unwillkürlich einen Schmerzensschrei aus und zog die Hand
    zurück.

    »Hast du dich verletzt? «
    Die Frage wurde in einer tiefen, ruhigen, leicht schnarrenden Stimme gestellt.
    Sie war so dicht an ihrem Ohr, dass er direkt auf der anderen Seite der Tür
    stehen musste. Grace erstarrte. Sie schloss die Augen und kämpfte einmal mehr
    gegen die Tränen an. Eine Gefühlswelle drohte sie zu überfluten. Es war wirklich
    der Schwarze Niall. Und bei Gott, er klang genauso, wie er auch in ihren
    Träumen geklungen hatte. Die Stimme war wie Samt und Donner. Sie war zu
    röhrendem Brüllen fähig, das den Feind verschreckte, aber auch zu einem
    warmen Schnurren, das die Frau in seinen Armen dahinschmelzen ließ.
    »Nur... nur ein ganz klein wenig«, brachte sie mit zitternder Stimme hervor. Sie
    versuchte sich an die richtige Bezeichnung zu erinnern. »Ein Splitter... der Riegel
    ist sehr schwer, er ist mir ausgerutscht.«
    »Bist du allein? « Jetzt schien er besorgt. »Der Riegel ist für eine Frau zu
    schwer.«
    »Ich werde es schaffen! « entgegnete sie wütend. Für eine Frau? Was verstand
    er denn davon? Sie hatte ein ganzes Jahr auf der Flucht überlebt, sie hatte es
    gegen alle Widerstände bis hierher geschafft, und abgesehen davon war sie
    diejenige, die auf der anderen Seite der Tür in Freiheit herumlief. Wut mischte
    sich mit Euphorie und drohte sie zum Platzen zu bringen. Sie wollte schreien, sie
    wollte etwas zerschlagen, sie wollte tanzen. Statt dessen aber wandte sie dem
    Riegel wieder ihre ganze Aufmerksamkeit zu.
    Sie konnte ihn mit den Händen allein nicht bewegen, also bückte sie sich,
    klemmte ihre Schultern darunter und stemmte ihn mit aller Kraft nach oben.
    Der Riegel fraß sich in ihre Schulter und hätte sie fast einknicken lassen. Sie biss
    die Zähne zusammen, konzentrierte sich auf ihre Beine und versuchte es noch
    einmal. Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss, ihr Herz und ihre Lunge
    arbeiteten, und ihre Knie zitterten. Verflucht, sie würde es diesem verdammten
    Stück Holz nicht erlauben, sie zu besiegen. Nicht nach allem, was sie hinter sich
    hatte!
    Sie ließ sich nicht unterkriegen und sammelte all die verbliebenen Kräfte ihres
    geschundenen Körpers für einen letzten Vorstoß. Ihre Schenkel schmerzten, und
    ihr Rücken brannte. Verzweifelt presste sie nach oben und drückte langsam die
    Beine durch. Das eine Ende des Riegels schob sich zögernd, Zentimeter für
    Zentimeter, nach oben. Dann rutschte das Holz wieder etwas zurück, Grace
    drückte es aber weiter nach oben, bis es sich auf der anderen Seite ebenfalls aus

    der Halterung schob. Das grobe Holz schürfte an ihrer Wange und riss an ihren
    Kleidern. Mit beiden Händen und ohne Rücksicht auf Geräusche schob sie den
    Riegel aus der Halterung.
    Aber er glitt nicht einfach durch die

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