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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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hätte sie ihn sonst
    von Angesicht zu Angesicht angreifen müssen. Wenn der Mann aufstehen sollte,
    würde sie ihn kaum bewusstlos schlagen können. Sie war von ihrer Zeitreise
    noch so geschwächt, dass sie ihren Kräften nicht recht über den Weg traute. Es
    wäre einfacher, wenn sie den Kerzenständer einfach mit Hilfe der Schwerkraft
    auf ihn niedersausen ließ.
    Grace schob tastend ihren Fuß vor. Die Luft war kalt und stank, und sie kräuselte
    angeekelt ihre Nase.
    Vordergründig roch es nach menschlichen Fäkalien. Darunter aber lag der
    schärfere und unangenehmere Geruch von Blut und Angst und der säuerliche,
    von Schmerzen durchdrungene Geruch von Schweiß. In diesen fauligen Tiefen,
    die noch niemals die Sonne gesehen hatten, waren Männer gefoltert und
    ermordet worden.
    Jetzt hing es von ihr ab, dass der Schwarze Niall nicht ein ebensolches Schicksal
    erlitt.
    Ein bedrückender Gedanke stieg in ihr auf: War es ihre Schuld gewesen, dass er
    überhaupt gefangen genommen worden war? Die Vernunft sagte ihr, dass das

    albern sei, denn es war für den Schwarzen Niall nicht möglich gewesen, ihren in
    Gedanken formulierten Ruf zu hören. Sie hätte unmöglich den Bruchteil einer
    Sekunde Unachtsamkeit provozieren können, die zu seiner Festnahme geführt
    hatte. Sie hatte ohnehin nicht gesehen, was wirklich geschehen war, also sollte
    sie sich auch nichts vorwerfen. Aber andererseits war gerade ihre Gegenwart hier
    Beweis genug, dass das Unmögliche sehr wohl möglich war. Sie konnte also nicht
    mit Sicherheit sagen, dass Niall sie nicht hatte rufen hören.
    Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit ihr noch blieb. Huwe würde unter dem
    Einfluss von sowohl Alkohol als auch Seconal bis spät in den nächsten Morgen
    hinein schlafen. Hoffentlich hatte sie ihm angesichts seines hohen
    Alkoholkonsums keine Überdosis verpasst. So grob und widerlich er auch war,
    umbringen wollte sie ihn nicht. Dennoch war sie von ganzem Herzen dankbar,
    dass sie die Medikamente mitgebracht hatte. Denn ohne das Seconal wäre sie
    Huwe niemals entkommen und der Vergewaltigung erst recht nicht.
    Ihr tastender Fuß fühlte keine Stufen mehr. Der Boden bestand nur aus
    festgetretener Erde, er war uneben und gefährlich. Einen Augenblick lang stand
    sie regungslos da und versuchte sich zu beruhigen. Der Wächter saß vornüber
    gebeugt auf der Bank, der Kopf hing ihm auf die Brust. Schlief er wirklich, war er
    betrunken, oder wollte er sie irreführen? Ob er trotz ihrer Vorsicht ein
    verräterisches Geräusch gehört hatte und sie nun näher zu sich heranlocken
    wollte?
    Wie auch immer, sie hatte keine andere Wahl. Auch wenn seine Gefangennahme
    nicht ihre Schuld sein sollte, so konnte sie den Schwarzen Niall unmöglich Huwe
    überlassen, der ihn umbringen würde. Niall war der Hüter des Schatzes. Er war
    der einzige lebende Mensch, der sowohl das Versteck des Schatzes als auch sein
    Geheimnis kannte. Da sie den Schatz alleine nicht finden konnte, brauchte sie
    seine Hilfe, um ihn dem Zugriff Parrishs entziehen zu können. Sie wollte Parrish E
    gebieten, und sie wollte Parrishs Tod. Für beides jedoch war es unbedingt
    notwendig, dass der Schwarze Niall am Leben blieb.
    Sie musterte den Wachposten. Wenn er tatsächlich wach war und nur besonders
    schlau sein wollte, dann ging sie am besten direkt auf ihn zu, als ob sie nichts zu
    verbergen hätte. Genau wie Harmony es ihr beigebracht hatte. Wenn er sie erst
    einmal sah, würde er von einer Frau keine Bedrohung erwarten. Ihr Herz schlug
    heftig, und einen Augenblick lang hatte sie lauter schwarze Punkte vor den
    Augen. Panik zog ihr den Magen zusammen, und sie befürchtete, sich übergeben

    zu müssen. Verzweifelt atmete sie durch und kämpfte gegen Ekel und Schwäche.
    Nach all dem, was sie durchgemacht hatte, durfte sie jetzt keinen Rückzieher
    machen.
    Kalter Schweiß brach ihr aus und rann ihren Rücken hinunter. Grace zwang sich
    mit leichten, bemessenen Schritten über den rauen Boden zu laufen, als ob sie
    überhaupt nichts zu verbergen hätte. Das Licht der Fackel schwankte, als würde
    es zu einer unhörbaren Melodie tanzen. Es warf riesige, wabernde Schatten an
    die feuchten Steinwände. Der Wachposten blieb reglos sitzen. Drei Meter.
    Anderthalb Meter. Schließlich stand sie so nah vor ihm, dass sie den säuerlich
    scharfen Geruch seines ungewaschenen Körpers riechen konnte. Grace schluckte
    und wappnete sich für den Schlag, den sie gleich austeilen musste. Sie

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