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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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der
    Taubheit gewöhnt, dass sie seine Abwesenheit bisher noch gar nicht bemerkt
    hatte. Bis heute war jeder Tag des vergangenen Jahres voller Angst, Wut und
    Hass gewesen. Zwischendurch war sie von einem solch heftigen Schmerz
    durchdrungen gewesen, dass ihre Abgestumpftheit ihr sogar willkommen
    gewesen war. Heute aber war sie aufgeregt und voller Neugier. Sie hatte Huwe
    sogar wie verrückt angelächelt. Huwe! Ihr Lächeln war zwar ganz und gar falsch
    gewesen, aber es war mehr, als sie jemals im vergangenen Jahr zuwege
    gebracht hatte.
    Sie war tatsächlich hier angekommen. Jeder Muskel schmerzte, aber sie war hier,
    und der Schwarze Niall lag nur zwei Treppen von ihr entfernt. Beide waren sie

    Gefangene. Vermutlich war er durch die Fausthiebe, wenn nicht sogar durch die
    Schwerter der Gegner verletzt.
    Dennoch elektrisierte sie seine Gegenwart bis in die Fingerspitzen.
    Sie hörte ein leises Rascheln und blickte zu dem Tisch hinüber, über dem Huwe
    mit dem Kopf auf seinem ausgestreckten Arm eingeschlafen war.
    Auf Zehenspitzen ging sie zu ihm hin und räumte die Flasche etwas weiter weg.
    Eine versehentliche Bewegung hätte sie zu Fall bringen und ihn möglicherweise
    aufwecken können. Sie war allerdings überzeugt davon, dass selbst ein
    Kanonendonner ihn heute Nacht kaum mehr wecken konnte, wollte jedoch kein
    Risiko eingehen.
    Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, setzte sich also auf die Bettkante und
    zwang sich zu warten. Das Bier würde bereits reichlich geflossen und die Männer
    ohnehin vom Kampf ermüdet sein. Sie würden früh zu Bett gehen und in einen
    tiefen Schlaf fallen.
    Dennoch wartete sie noch, bis sie beinahe selbst eingeschlafen wäre. Als sie sich
    das zweite Mal wieder hochgerissen hatte, wusste sie, dass sie nun gehen
    musste.
    Sie nahm ihre Tasche und ging leise zur Tür, öffnete sie einen Spalt und spähte
    hinaus, ob der Wächter noch vor der Tür stand. Außer der Dunkelheit war nichts
    zu sehen. Nur ein schwacher Schimmer drang von unten zu ihr hoch.
    Sie schlüpfte aus dem Zimmer und ging vorsichtig die Treppe hinunter.
    Schnarchende Männer lagen schlafend, in ihre Karodecken gehüllt, in der großen
    Halle. Sie lief jedoch nicht auf Zehenspitzen, sondern nur leise, als ob sie ein
    Recht darauf hätte, hier zu sein. Falls jemand aufwachte und sie bemerkte,
    würde er sie für ein Serviermädchen halten. Wenn sie aber herumschlich, würde
    das nur den Argwohn der Männer erregen. Das hatte ihr Harmony beigebracht:
    »Laufe so, als ob du ein Recht hättest, den gesamten Gehweg zu beanspruchen.
    Dann werden dich die bösen Kerle nicht anrühren.«
    Ein großer eiserner Kerzenhalter stand mit halb abgebrannter Kerze auf einem
    der Tische. Sie nahm sie mit, falls unten kein Licht sein sollte. Sie wollte nicht
    ihre Taschenlampe benutzen und sie Niall erklären müssen, jedenfalls jetzt noch
    nicht.
    Die Treppe zu dem Verlies befand sich am hinteren Ende der großen Halle hinter
    einer so schwarzen Tür versteckt, dass sie sie beinahe nicht bemerkt hätte. Sie
    stellte sowohl ihre Tasche als auch die Kerze auf dem Boden ab, öffnete

    zentimeterweise die Tür und achtete darauf, dass die Lederaufhängungen nicht
    quietschten. Licht drang von unten herauf. Also war ein Wächter dort abgestellt,
    denn ein Gefangener brauchte kein Licht.
    Behutsam zwängte sie ihren Körper durch die Türöffnung, dann griff sie nach
    Tasche und Kerzenständer. Die Kerze brauchte sie zwar nicht, wohl aber eine
    Waffe. Sie blies die Kerze aus und benetzte den Docht mit Spucke. Dann nahm
    sie die Kerze vom Stachel des Ständers und legte sie in ihre Tasche. Vorsichtig
    setzte sie die Tasche auf der obersten Stufe ab, atmete mehrmals tief ein und
    sagte ein stilles Gebet auf.
    Die kalte und feuchte Wand des Verlieses im Rücken, schlich Grace die engen,
    unebenen Stufen hinunter. Sie musste sich ihren Weg ertasten und hätte nun
    doch gerne die Kerze gehabt, aber das Licht hätte den Wachposten alarmiert.
    Der schwere Kerzenständer aus Eisen zog an ihrem Arm.
    Auf halbem Wege nach unten konnte sie den Wachposten sehen, der auf einer
    einfachen Bank mit dem Rücken an der Wand lehnte. Neben ihm stand ein
    Lederkelch mit Wein. Wenn sie Glück hatte, dann hatte er sich bereits
    besinnungslos getrunken. Aber selbst wenn er die Trinkfestigkeit eines Schotten
    besaß, so würde der Alkohol doch seine Reflexe verlangsamt haben. Sie konnte
    nur hoffen, dass er wirklich schlief, denn von ihrem Platz aus

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