Wie Tau Auf Meiner Haut
der einzige Mann, mit dem ich
jemals...« Sie hielt inne, sie konnte nichts mehr hervorbringen. Sie musste es
auch gar nicht.
»Du hast ihn wohl sehr geliebt? «
Wieder schluckte sie angesichts seiner schnellen Auffassungsgabe. »Ja, das tue
ich.« Die Worte waren kaum zu vernehmen.
Er kam um den Tisch herum. Sie blieb stehen und widerstand dem Impuls zu
fliehen. Niall nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. Auf seinen wohlgeformten
Lippen lag ein leises Lächeln, seine Augen verrieten ihr, dass er sie verstand. »Es
ist also neu für dich, einen anderen Mann zu begehren. Du empfindest es als
Untreue ihm gegenüber, dass dein Körper, den nur er gekannt hat, nun an
meiner Seite in Wallung gerät.«
»Ja, so ist es«, flüsterte sie.
»Und doch bist du hierher gekommen, obwohl du wusstest, wie es um uns stand.
Dein Körper ist bereit. Deine Seele wird wohl noch etwas Zeit brauchen.« Er
beugte sich zu ihr herab und küsste ihre Stirn. »Ich werde dich nicht zwingen,
Mädchen, aber ich werde dich nicht lange alleine schlafen lassen. Du wirst meine
Küsse und meine Berührungen kennen lernen, während sich deine Gedanken
beruhigen.«
Sie erwartete, dass er sie jetzt küssen würde. Ihre Lippen öffneten sich bereits in
Erwartung seines wilden, ungezügelten Drucks. Statt dessen ließ er seine Hand
fallen und ging mit dem aufrechten und eleganten Gang eines Tänzers auf die
Tür zu. »Ich würde gerne glauben, dass du meinetwegen und wegen unserer
beider Verlangen nach Creag Dhu gekommen bist.« Er sprach jetzt auf englisch,
sein schleppender schottischer Akzent war vollkommen weggefegt. »Aber weder
Dankbarkeit noch Lust machen mich blind. Solange ich den wahren Grund deiner
Anwesenheit hier nicht kenne, werde ich dich nicht frei auf meiner Burg
herumlaufen lassen. Jemand wird dich jede Sekunde des Tages begleiten. Und
Nachts wirst du entweder in deiner Kammer schlafen...« Er hielt inne, und seine
schwarzen Augen funkelten. »Oder aber in meiner.«
Kapitel 23
Nachforschungen zu betreiben war schier unmöglich. Außer beim Ankleiden war
Alice den ganzen Tag um sie herum. Grace jedoch wollte Nialls Misstrauen nicht
noch verstärken, folgte also Alice willig und hörte dem schottischen und
gelegentlich gälischem Geplauder zu. Nach und nach konnte sie die Betonung
einiger Worte erkennen, die sie lediglich vom Schriftbild her kannte. Der Vorteil
von Alices Gesellschaft war der, dass deren Aufgaben sie durch die gesamte Burg
führten. Ohne herumschleichen zu müssen, kannte Grace bald alle Zimmer. Sie
versuchte sich auszumalen, wo das sicherste Versteck für den Schatz sein
mochte. Es gab auch auf Creag Dhu ein Verlies, ein viel größeres als auf der
Hayburg, aber das schien ein so offensichtlicher Ort zu sein, dass ihn Grace für
wenig wahrscheinlich hielt. Dennoch hätte sie das Verlies gerne einmal gesehen,
konnte Alice danach aber nicht fragen.
Der Weinkeller wäre noch eine Möglichkeit gewesen, er war dunkel und kühl, mit
Truhen und Regalen, die ein Versteck gut kaschieren würden.
»Gibt es irgendeinen Fluchtweg, falls die Burg angegriffen werden sollte? «
»O ja«, erwiderte Alice bereitwillig. »Ein Tunnel geht bis zum Meer hinunter, falls
es einmal nötig sein sollte. Aber meiner Meinung nach ist es in der Burg sicherer
als draußen. Lord Niall hat die beste Abwehr in ganz Schottland«, prahlte sie.
»Wir könnten eine Belagerung ein Jahr lang oder vielleicht sogar noch länger
aushalten.«
Während sie Alice begleitete, erstaunte es Grace, wie selbstverständlich ihr alles
hier erschien. Natürlich hatte sie den Vorteil ihrer Kenntnis der mittelalterlichen
Sprachen und ihrer Kultur, so dass sie zumindest über den Lebensstil informiert
war. Aber noch nicht einmal nach dem ersten Erwachen hier hatte sie ein Gefühl
der Fremdheit verspürt. Ihr Bewusstsein schien sich nahtlos ihrer neuen
Umgebung anzupassen. Natürlich musste Fleisch hier eingepökelt werden, die
Milch wurde zu Butter geschlagen und Kräuter legte man auf dem Reisigboden
aus, damit sie auch weiterhin ihren Geschmack behielten. Ihre
Geschmacksnerven hatten sich schnell an die einfachen, nur wenig gewürzten
Speisen gewöhnt. Als Alice sich mit Nadel und Faden setzte, um ein löchriges
Laken zu stopfen, dachte Grace noch nicht einmal mehr daran, wie viel
bequemer es wäre, in einem Kaufhaus neue Laken zu kaufen, als die alten zu
stopfen. Statt dessen bemühte sie sich, möglichst
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