Wie Tau Auf Meiner Haut
nicht nur ihren Mann, sondern auch das Gefühl, in
der Dunkelheit nicht alleine zu liegen. Das biete ich dir an, Mädchen. Ich drücke
dich an mich und wehre die Kälte und die Dunkelheit ab, ich gebe dir den Trost
meines Körpers.«
Sie hätte fast geschluchzt, so sehr lockte sie die Versuchung. Mit seinen Armen
um ihren Körper einzuschlafen, aufzuwachen und ihn zu spüren, seine behaarte
Brust zu fühlen, dann die Hand seinen flachen Bauch hinuntergleiten zu lassen,
seinen Penis im Schlaf zu streicheln - wie hatte er nur wissen können, wie sehr
sie sich gerade danach sehnte, nach dieser Geborgenheit, die über das rein
Sexuelle weit hinausging? Er war eins mit ihrer Seele und hatte sie gänzlich
durchschaut. »Nein«, flüsterte sie entgegen besseren Wissens. Seine Lippen
streiften ihre Stirn. »Dann wünsche ich dir eine gute Nacht. Wenn du Nachts
doch ein wenig Trost brauchen solltest, so musst du nur rufen, und die
Wachposten werden dich zu mir bringen.«
Als er gegangen war, presste Grace ihre zitternden Finger auf die Lippen. Sie
befand sich auf einem schmalen Grat zwischen Verlangen und Gefahr. Ihr Wissen
darum verringerte ihr Verlangen jedoch nicht. Wenn sie sich ihm hingab, würde
er sich ihr gegenüber dann als nachgiebiger erweisen, wenn er ihr wahres Ziel
erführe? Nein, das würde er nicht. Aus den Dokumenten wusste sie bereits, dass
der Schwarze Niall mit allen Mitteln den Schatz verteidigte. Vielleicht hatte er ja
nur nebenbei andeuten wollen, dass er hier das Sagen hatte, aber er hatte ja das
Wort »Macht« benutzt, was man als Warnung auslegen konnte. Dass sie eine
Frau war - noch dazu eine, die er in seinem Bett haben wollte -, würde sie nicht
schützen, wenn er herausfand, dass sie den Schatz finden wollte. Er würde sie
umbringen, dessen war sie sich vollkommen sicher.
Kapitel 24
Der nächste Morgen war kühl und regnerisch, die Gipfel der im Osten gelegenen
Berge vom Nebel verhüllt. Kein warmes Bad wartete auf Grace, sondern sie
musste sich schnell vor dem Feuer waschen. Zum Frühstück gab es wieder
Haferbrei, danach nahm sie Alice erneut bei ihren Arbeiten mit. Im Hof übten
trotz des Regens die Männer. »Lord Niall sagt, der Ernstfall wartet nicht auf
Sonnenschein«, erläuterte Alice. Als die Männer später vollkommen durchnässt
hereintrampelten, verklumpten sie das auf dem Boden ausgebreitete Reisig mit
ihren dreckigen Füßen.
Alice wärmte sie mit colcannon, einem Kohleintopf. Danach spielten die Männer
Spiele oder würfelten, flirteten mit den Serviermädchen, wetzten ihre Schwerter
und Dolche und erzählten sich lautstark Geschichten. Nicht alle Männer waren
anwesend, zehn von ihnen patrouillierten mit Niall zusammen die Umgebung von
Creag Dhu ab.
Der Regen hörte nicht auf, und der Himmel war so dunkel, dass man die Fackeln
anzünden musste. Grace gähnte. Ein Regentag eignete sich wie kein anderer
dazu, die Zeit dösend vor dem Feuer zu verbringen. Sie war mit ihrem Gähnen
nicht allein, ein paar Männer hatten sich in die dunkleren Ecken verzogen und
waren eingenickt. Andere wiederum hatten sich aus lebendigeren Gründen in ihre
Betten zurückgezogen. Grace beobachtete, wie sich behaarte Männerarme um
diese und jene Taille legten. Schon bald waren wesentlich weniger Frauen bei der
Arbeit zu sehen.
Sie alle wurden von den Rufen am Eingangstor, dem plötzlichen Alarm
überrascht. Alice lag gerade über Sims Knien, der ihre Kehrseite betätschelte und
sie von ihrer Arbeit weglocken wollte. Als er die Rufe hörte, stand er ruckartig
auf und ließ Alice auf den Boden fallen. Er stürmte bereits mit der Hand am
Schwert los, noch ehe sein Rock wieder ordentlich nach unten gefallen war.
Alice rappelte sich auf und rannte auf die riesigen, drei Meter hohen Türen in der
großen Halle zu. Grace war ebenfalls aufgesprungen, das Herz schlug ihr bis zum
Hals. Niall befand sich außerhalb der Sicherheit der Burgmauern. War ihm etwas
zugestoßen?
Die Szene war chaotisch und verwirrend. Menschen liefen schreiend auf das Tor
zu, wobei sie ihre Häupter gegen den Regen schützten. Hinter ihnen konnte man
das lodernde Feuer verbrannter Hütten sehen. »Die Hay! « schrieen sie. »Die
Hay! « Berittene Männer winkten mit Äxten und Schwertern.
»Öffnet das Tor! « rief Sim.
Grace und Alice wurden brutal von Männern zur Seite gestoßen, als diese ihre
angestammten Posten einnahmen. Manche kletterten mit Pfeil und Bogen auf
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