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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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zu lassen
    und dem Informationsfluss zu lauschen. Die Geräuschkulisse wirkte beruhigend,
    und sie kettete ihn an die düstere Seite des Lebens, die er für sich gewählt hatte.
    Er ließ die Geräte die ganze Nacht laufen. Manchmal begleiteten ihn die Stimmen
    bis in den Schlaf. Jede wichtige Nachricht würde ihn augenblicklich aus dem
    Schlaf reißen. Er schlief ohnehin nicht viel. Er döste in einer Art Dämmerzustand,
    aber wirklichen Schlaf brauchte er kaum. Ruhen war für ihn befriedigender.
    Dösend konnte er die Entspannung besser auskosten, das Gefühl der Laken auf
    seiner Haut, den leichten Luftzug auf seinem behaarten Körper. Das war die
    einzige Zärtlichkeit, die er ertragen konnte, vielleicht weil sie nichts mit Sex zu
    tun hatte. Conrad interessierte sich nicht im geringsten für Sex. Er erwachte nur
    ungern mit einer Erektion, denn er hasste das Gefühl, seinen Körper nicht unter
    Kontrolle zu haben. Sex betrachtete er als Schwäche. Weder aus Männern noch
    aus Frauen machte er sich etwas, er hasste die heutzutage vorherrschende
    leichtlebige Promiskuität. Softpornos im Fernsehen sah er sich niemals an, liebte
    aber die Wiederholungen der Andy Griffith Show. Das war gute, anständige
    Unterhaltung.
    Vielleicht gab es doch immer noch Orte wie Mayberry auf der Welt. So einen Ort
    hätte er gern einmal besucht, obwohl er dort natürlich niemals hätte leben
    können. Solche Orte waren nicht für einen wie ihn gemacht. Er wollte dort bloß
    einmal auf der Veranda sitzen und einen Augenblick lang die Atmosphäre
    ungefährdeter Anständigkeit genießen.
    Conrad schloss die Augen und dachte an Grace St. John. Die gehörte eigentlich
    an einen solchen Ort. Die Ärmste hatte doch keine Ahnung, wie sie sich in der
    Welt verhalten musste, die er jede Nacht mit seinen Geräten einfing.
    Wohin war sie geflüchtet, nachdem dieser Idiot von einem Penner sie überfallen
    hatte? Hatte sie ein Versteck gefunden, oder war sie dem nächsten zum Opfer
    gefallen? Er hatte noch keinerlei Spur von ihr, bezweifelte aber trotzdem nicht,
    dass er sie schließlich aufspüren würde. Er hatte seine Fühler in ganz Minneapolis
    ausgestreckt, und er würde sie finden. Conrad vertraute auf seine Fähigkeiten.
    Früher oder später fielen ihm alle, nach denen er suchte, in die Hände. Zu seiner

    eigenen Überraschung empfand er ein gewisses Mitleid für sie. Sie war eine ganz
    gewöhnliche Frau, wie Millionen andere auch. Sie hatte ruhig vor sich hingelebt,
    ihren Mann und ihre Arbeit geliebt, Wäsche und Einkäufe erledigt. Eigentlich
    sollten ihr keine Aufgaben gestellt werden, die man nicht mit ein bisschen
    kleinbürgerlichem gesundem Menschenverstand lösen konnte. Leider war sie in
    eine Sache verwickelt, die ihren Erfahrungshorizont weit überstieg. Deshalb
    musste sie sterben. Conrad bedauerte das zwar, es gab jedoch keine andere
    Möglichkeit.
    Eines der Abhörgeräte schaltete sich ein. »Der Tankwart von Brasher meldet eine
    Vagabundin, die sich weigerte, das Grundstück zu verlassen und ihn angegriffen
    hat, als er sie entfernen wollte. «
    Eine Vagabundin? Conrads Aufmerksamkeit war geweckt. Einen Augenblick
    später meldete sich der Streifenpolizist. »Wagen 1-12, ich bin hier gerade in der
    Gegend. Ist die Vagabundin noch am Ort? «
    »Negativ, Wagen 1-12. Der Tankwart ist nur leicht verletzt, medizinische Hilfe
    nicht erforderlich. «
    »Gibt es eine Personenbeschreibung? «
    »Weibliche Person, weiß, dunkelhaarig, etwa fünfundzwanzig. Dunkle Hosen,
    blaues Hemd. Knappe einsachtzig groß, 78 Kilo. «
    »Starke Frau«, meinte die Streife. »Ich fahre mal bei Brashers rauf und nehme
    die Aussage auf. Vermutlich war das aber nur eine harmlose Balgerei. «
    Der Tankwart hat wahrscheinlich gelogen, dachte Conrad, stieß die Decke zurück
    und stand auf. Er machte Licht, dann zog er sich in dem weichen Schein der
    Lampe langsam an. Er wollte dem Streifenpolizisten Zeit lassen, um die Aussage
    aufzunehmen und wieder abzufahren. Knappe ein Meter achtzig, 78 Kilo? Schon
    möglich. Vermutlich aber hatte der Tankwart bei der Prügelei den kürzeren
    gezogen und wollte nun nicht zugeben, dass ihn eine nur ein Meter sechzig große
    und kaum mehr als sechzig Kilo schwere Frau besiegt hatte. Es machte einen
    besseren Eindruck, ein paar Zentimeter und Kilogramm mehr anzugeben.
    Haarfarbe, Alter und Kleidung stimmten jedenfalls überein. Eine Überprüfung
    wäre also in jedem Fall lohnenswert.
    Eine Stunde später tauchte

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